Bald steckt nun auch das Regietheater im Opernmuseum

Salzburg 2017 sieht Karajans ,,Walküre“ von 1967 wieder, Lyon rekonstruiert, was vor 25 Jahren als fortschrittlich galt. Ein Rückschritt?

Ein guter Meister – doch lang schon tot“, an diesen Dialog aus Wagners „Meistersingern“ hat wohl manch ein Musikfreund gedacht, als er die Ankündigung der Jubiläums-Osterfestspiele gelesen hat, die Salzburg für 2017 avisiert. Das 50. Osterfestival hat ja heuer stattgefunden. Die 50-Jahr-Feier steht für kommende Saison ins Haus. Und da hat man sich insofern etwas Besonderes einfallen lassen, als für die Aufführung von Wagners „Walküre“ die Originaldekoration Günter Schneider-Siemssens von 1967 nachgebaut wird.

Das scheint vielen vorgestrig; doch findet man retrospektive Nuancen heute auch dort, wo sie keiner vermuten würde. Serge Dorny beispielsweise, Opernchef in Lyon, hat dieser Tage viele überrascht. Der Gerard-Mortier-Adlatus gilt im internationalen Stagione-Betrieb – in Wien würde er das Theater an der Wien führen – als einer der findigsten Programmmacher. Dass er in der Vorbereitungsphase für den Repertoirebetrieb an der Dresdner Semperoper gescheitert ist, zeigt nur, dass man zwischen den beiden „Betriebssystemen“ klug zu unterscheiden hat. Wer das eine beherrscht, muss sich aufs andere nicht verstehen.

Wie auch immer: Dorny, zurück in Lyon, kündigt für 2016/17 ein Festival der „Erinnerungen“ an – und lässt einige jener Opernproduktionen rekonstruieren, die ihn seit seiner Tätigkeit an Mortiers Seite in Brüssel besonders beeindruckt haben.

So wird es in rascher Folge bei Strauss' „Elektra“ in der Regie von Ruth Berghaus (1986), Wagners „Tristan“ in der Bayreuther Heiner-Müller-Inszenierung (1993) und Monteverdis „Poppea“ (Klaus M. Grüber, 2000) zu Déjà-vu-Erlebnissen kommen. Was lernt man daraus? Jetzt gilt schon das Regietheater als museumstauglich und wird liebevoll rekonstruiert.

Da darf man es Christian Thielemann nicht übel nehmen, wenn er zum Jahrestag der Gründung des Osterfestivals in Salzburg an Gründervater Herbert von Karajan und dessen Opernvisionen erinnert.

Zu hoffen ist bei alledem ja nur, dass das dümmliche Gerede vom immerwährenden Fortschritt endlich verstummt, den uns im Musiktheater nur immer neue Verballhornungen von Werken durch Regisseure – notabene solchen, die den Letztgenannten in der Regel nicht das Wasser reichen können – bescheren können.

In Wahrheit gibt es nur Regie-Handwerker, die den Blick auf ein Meisterwerk durch akribische Arbeit freigeben oder solche, die ihn durch etwelchen Ramsch auf der Szene und grobe Verunstaltungen der Handlungsparameter verstellen. Mehr können die Herrschaften ja nicht erreichen. Die Libretti stammen immer noch von den Librettisten, die Musik stammt vom Komponisten. Um derentwillen kommt das Publikum...

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2016)

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