Wenn Disparates harmonisch nebeneinandersteht

Ein neues Wörterbuch der Musik für Connaisseurs, die sich für alles interessieren, was (schön) klingt: für Jazz und Pop genauso wie für Klassik.

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töne
Das ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Wörterbuch der Musik, das gleichzeitig ein Zitatenschatz ist und ein Nachschlagwerk für alle, die wenig bis gar nichts wissen über die Welt der Notenlinien und über das, was zwischen ihnen steht; aber auch für jene, die schon allerhand verstanden haben, aber über das eine oder andere Phänomen noch ein bisschen mehr wissen möchten . . .

Geht nicht, denkt man. Dafür ist dem Salzburger Musikwissenschaftler Herbert J. Hopfgartner ein beachtliches Buch gelungen. „Alles Musik“ heißt es, und es enthält natürlich nicht alles „über“ Musik, macht seinem Titel aber dennoch Ehre – in dem Sinn, als der Autor wirklich erfüllt ist von seiner Musikbegeisterung – und auf sympathische Weise ansteckend wirken möchte.Das scheint nämlich der Beweggrund für Hopfgartner gewesen zu sein. Tatsächlich weiß er aus eigener Erfahrung, welche Fragen für Hörer und Hobbymusiker auftauchen können und welche Antworten sogar Profis manchmal suchen.

Die hat Hopfgartner hier in verschiedenen Kapiteln nach unterschiedlichen Kriterien geordnet und lexikalisch zusammengefasst. Da steht scheinbar Disparates harmonisch nebeneinander. Denn Musikfreunde und Connaisseurs, die dieses Buch nutzen, dürfen sich für alles interessieren, was (schön) klingt; für Jazz und Pop genauso wie für die Klassik.

Dass Hopfgartner sich gern für Cross-over-Projekte engagiert, merkt man seinem Opus an. Firm auf allen Ebenen, informiert er knapp und klar auch über recht komplizierte Sachverhalte; Einsteiger verschreckt er nicht, sondern reicht ihnen mit einer guten Prise Humor die Hand.

Spaß hat ihm offenkundig auch die ausgiebige Zitatensammlung gemacht, mit der das Buch anhebt. Während die Begriffserklärungen von Abblasen bis Zyklus alphabetisch geordnet sind – dem Titel dieser Kolumne ist der vorletzte Eintrag gewidmet, wer die Zwölftontechnik sucht, muss wissen, dass sie auch Dodekaphonie heißt – findet man die philosophischen, praktischen oder witzigen Aussprüche und Gedanken zur Musik nach der Chronologie; und erfährt gleich zu Beginn, dass eine im Grunde bis heute gültige Weisheit schon vor 4500 Jahren in Stein gemeißelt wurde: „Es gibt nicht mehr als fünf Musiknoten, doch die Kombination dieser fünf lassen mehr Melodien entstehen, als je gehört werden können.“

Was sich mit diesen „Melodien“ anstellen lässt, erfährt man bei der Lektüre aufs ausführlichste, ob Charivari oder Blue Notes, Gangsta-Rap oder Countertenor, Gabelgriff oder picksüßes Hölzl, Bariton oder Singende Säge: Ein Schelm, wer dem Autor nachweisen möchte, dass er etwas vergessen hat. Nichts leichter, als in einem Lexikon Lücken zu finden, viel vergnüglicher, die Einträge zu lesen, die drinstehen.

Eigene Subkapitel über Begriffe aus dem Jiddischen und aus der Gaunersprache bereichern die Sache zusätzlich. Und überdies: Dass zum Beispiel die wienerische Beuschelpartie fehlt, macht auch Hoffnung: Vielleicht schreibt Hopfgartner demnächst ein zweites Buch. Das Material geht ihm bestimmt nicht aus – und seine Leser werden auch nach der Novität dann gewiss mit Freude greifen. (Herbert J. Hopfgartner: „Alles Musik“. Academia Verlag, 244 S., 34,50 Euro)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2016)

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