Der letzte Schrei: Harumika und fesche Vampirinnen

Puppen haben ihren fixen Platz unter dem Weihnachtsbaum. Wer sind die Vorläufer von Babyborn und Barbie? Und was gibt es Neues?

Die eine hieß Pfündi, die andere Nemi. Nemi war eine Negerpuppe, so durfte man das noch nennen, in den 1960er-Jahren. Pfündi, die Blonde, verursachte das größte Trauma meiner Kindheit. Nachdem ich ihr die Haare geschnitten hatte, die ärgerlicherweise nicht nachwuchsen, fielen ihr nach einem kleinen Klaps (auf den Popo!) auch noch die blitzblauen Glasaugen in den Hinterkopf. Ich heulte hemmungslos. Der Puppendoktor musste her. Er riss meiner Pfündi den Skalp ab und brachte das Drahtgestell in ihrem Schädel zum Vorschein. Fortan graute mir vor Pfündi.

Kein Weihnachtsfest ohne Puppen. Sie sind Projektionsflächen für die Fantasie. Es gibt sie in unzähligen Versionen. Die wichtigste Innovation jüngerer Zeit war Babyborn. Sie ist allerdings nur die Evolution eines Klassikers: der Babypuppe. Die nach einer Comic-Figur geformte Barbie gibt es bereits seit den 1950ern. Erfinder Mattel produzierte ursprünglich Modeschmuck, Puppenmöbel. Die Tochter der Inhaberin brachte diese auf die Idee der Mannequinpuppe, die eine heiße Ideologiedebatte auslöste, von wegen Busen und Männerfantasien.

Barbie und ihre Freunde sind längst ein Gesamtkunstwerk. Sammlerstücke werden sowohl neu produziert als auch antiquarisch angeboten, wie eben Barbie-Freundin Midge von 1958 im Dorotheum um 80 Euro. Barbie gibt es in verschiedenen Ethnien.

Den Lebensstil der Barbie-Society können sich die meisten Kinder und Eltern nicht leisten, aber die Puppe: Sieben Stück besitzt jedes deutsche Kind. Im Durchschnitt! Das Lifestyle-Modell ist nicht ganz neu. Puppenkleider, Puppenhäuser, Puppenküchen gab es auch früher. Aber die Fertigung war aufwendiger, teurer. Heute geht alles maschinell, das bevorzugte Material ist Plastik. Wer jetzt das Lied von der guten alten Zeit der Handarbeit anstimmen möchte, dem sei gesagt, dass Puppen in miserabel bezahlter Heimarbeit hergestellt wurden. Stephenie Meyers „Bis(s)“-Saga hat auch bei Barbie ihre Spuren hinterlassen. Der letzte Schrei sind offenbar Vampir-Barbies. Sie sehen aus wie die anderen, nur die Farben sind „gothic“.

Der jüngste Puppentrend heißt Harumika, wurde von einer japanischen Firma lanciert – und ist vermutlich von Heidi Klums Modelshows inspiriert: Harumika sind Plastik-Bags, praktisch zum Transportieren, mit Mannequins, die von den Kindern aus mitgelieferten Materialien (Stoffe, Accessoires) angezogen werden können.

Puppen gab es schon im alten Ägypten aus Ton mit Goldschmuck. Die Puppe hat auch eine düstere Schlagseite, denkt man an Oskar Kokoschka, der sich aus Stoff und Holzwolle eine Nachbildung seiner geliebten Alma fertigen ließ, oder an die gruselige Olympia aus „Hoffmanns Erzählungen“. Meist aber dienen Puppen der Einübung ins spätere Mutterleben. Und es gibt auch immer noch ganz altmodische Ausführungen, z. B. von Käthe Kruse.

E-Mails an: barbara.petsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2010)

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