Ging FBI-Chef Hoover als „Mary“ zu schwulen Orgien?

Regisseur Larry Cohen kritisiert das Drehbuch zu Clint Eastwoods Filmbiografie über J. Edgar Hoover: „Voller Fehler und Ungenauigkeiten.“

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin ein großer Fan von Clint Eastwood ...und ich mag ihn als Person.“ So beginnt ein Memo von US-Regisseur und -Autor Larry Cohen, das seit Kurzem im Internet zirkuliert (www.davekehr.com/wp-content/uploads/2011/03/HOOVER.pdf). Es geht um das Drehbuch zu Clint Eastwoods in Produktion befindlicher Filmbiografie des berühmt-berüchtigten FBI-Chefs J. Edgar Hoover mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle.

Schon der Titel von Cohens 17-seitigem Textdokument macht klar: In seiner Sympathie für Eastwood – sie planten vor 30 Jahren ein gemeinsamen Filmprojekt, das an John Waynes Absage gescheitert ist – lässt er sich nicht beirren. In Großbuchstaben steht da: „Clint Eastwoods Hoover Bio starring DeCaprio gets it all wrong.“ Alles falsch? Übergehen wir kurz die Tatsache, dass Cohen DiCaprios Namen fehlerhaft schreibt, während er sich darüber erregt, dass im Drehbuch von Dustin Lance Black (Milk) der Name von Hoovers rechter Hand Clyde Tolson falsch buchstabiert wird. Solche Erbsenzählereien sind Nebensache, was Cohen wirklich stört, sind die „groben Verzerrungen“, insbesondere, was das Sexualleben des FBI-Chefs angeht.

Hoover lebte bis zu deren Tod mit seiner Mutter, zwei kurze Affären (mit Schauspielerin Dorothy Lamour und Ginger Rogers' Mutter) sind bekannt. Ab den 1940ern zirkulierten Gerüchte über seine heimliche Homosexualität, Hoover ließ die Urheber ruhigstellen – keiner konnte Beweise nachliefern –, während er mit derselben Methode Politiker wie Adlai Stevenson diskreditierte. Lang nach Hoovers Tod wurde in einer Biografie eine zweifelhafte Zeugin zitiert: Hoover hätte sich in Frauenkleidern auf schwulen Partys gehen (und sich „Mary“ nennen) lassen – wie Cohen anmerkt, eine absurde Geschichte. Aber ein gefundenes Fressen für die US-Populärkultur: „J. Edna Hoover“ wurde eine beliebte Stand-up-Pointe. Im Skript zu Eastwoods Film probiert Hoover „nur“ die Kleider seiner Mutter nach deren Tod an und küsst seinen stellvertretenden Direktor Tolson. Aber Cohen protestiert: „Diese Erfindungen werden bald als Fakten gelten, wenn nicht jemand gleich widerspricht.“

Dass Cohen dieser Jemand ist (und das Drehbuch vorab zu lesen bekam), liegt an seiner großartigen Kinobiografie The Private Life of Edgar J. Hoover (1977) – ohne FBI-Unterstützung, aber an Originalschauplätzen gedreht. Eine desillusionierte Chronik von 50 Jahren US-Politik: Hoover als Fädenzieher in einer Machtstruktur, in der alle bis hin zu den Präsidenten bereit sind, im „Interesse des Staates“ die abscheulichsten Dinge zu tun. Auch Cohen hat ein Interesse: an seinen Film zu erinnern, bevor er im Rummel um Eastwoods Großproduktion versinkt. Als Spezialist für originelle (und paranoide) Drehbücher kann Cohen dann aber doch nicht aus seiner Entertainer-Haut: Am Ende seines Memos bietet er Eastwood saftige Verschwörungstheorien aus eigener Recherche zur Verwendung an.

E-Mails an: christoph.huber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2011)

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