Wie süße Pferdchen digitale Gegner erniedrigen

Warum die Hacker von „Anonymous“ auf von ihnen geknackten Webseiten ausgerechnet Bilder der Serie „My Little Pony“ hinterlassen.

Heute Abend im Caesar's Palace in Las Vegas werden auf der „Black Hat“-Computersicherheitskonferenz – hochkarätig mit Vertretern der US-Regierungsbehörden, großer IT-Konzerne wie Cisco und Microsoft sowie den Spitzen der Hackerwelt besetzt – die „Pwnies“ vergeben. Die sind so etwas wie die Oscars für besondere Hoch- und Fehlleistungen auf dem Gebiet der Cybersicherheit. Und auch heuer werden sich manche Beobachter der Szene wieder fragen: Warum identifizieren sich selbst ernannte Internetaktivisten und kriminelle Datendiebe ausgerechnet mit dem kitschigsten aller Mädchenträume, dem Pony?

Der Preis „Pwnie“ wird nämlich wie Pony ausgesprochen – und er sieht so aus. Wie auch das Maskottchen von „Anonymous“. Diese Gruppe von Hackern sorgte auch in Österreich in den vergangenen Wochen für Aufsehen, indem sie etwa die Webseiten der FPÖ und des ORF-Inkassodienstes GIS vom Netz nahm – und an ihrer Stelle ein Bild des Pferdchens „Rainbow Dash“ aus der Zeichentrickserie „My Little Pony“ online stellte.

Auf den ersten Blick scheint sich das zuckersüß im Manga-Stil gezeichnete Tier wenig als Galionsfigur der Hackerbewegung zu eignen, die vom „Internet der Individuen“ schwärmt und den Einzelnen gegen die Macht der Konzerne verteidigen will. „My Little Pony“ stammt nämlich aus dem Stall von Hasbro, dem nach Mattel zweitgrößten Spielwarenkonzern der Welt, der sich derzeit rapide in ein Multimedia-Unternehmen verwandelt: In Zukunft sollen Kinder nicht mehr bloß mit Hasbro-Figuren spielen, sondern auch im Kino mit deren Abenteuern mitfiebern (z.B. bei den „Transformers“ oder „Battleships“, dem von Hasbro verlegten „Schiffe versenken“, das im kommenden Jahr auf die Leinwand kommt) oder entsprechende TV-Serien konsumieren.

Für letztere hat Hasbro im Vorjahr gemeinsam mit Disney einen eigenen TV-Kanal, „The Hub“, gestartet, der als Trägerrakete für eigens produzierte Spielzeugserien wie eben „My Little Pony“ dienen soll.

Damit hat die Pony-Manie der Hackerszene aber nur indirekt zu tun. Der Ursprung dafür liegt in der „leetspeak“, dem Slang der Bulletin Boards – der Vorgänger des World Wide Web in den 1970er- und 80er-Jahren –, die mit der zunehmenden Verbreitung des Internets zur Sprache der Geeks in aller Welt wurde.

Dort bürgerte sich ein, jemandem, der gerade digital erniedrigt worden war – etwa dadurch, dass man seine Daten hackte oder ihn in einem Onlinespiel besiegte –, mit dem Terminus „pwned“ seine Unterlegenheit vor Augen zu führen. Eine Verballhornung von „owned“ (samt dem einfachen Vertipper „p“ statt „o“), die signalisieren soll: „Ich besitze dich, du bist mir ausgeliefert.“ Und ebendiese Verballhornung erinnert ausgesprochen („Poned“) an ein Pony – das so in Verbindung mit der kultischen Verehrung für „My Little Ponys“ auf einschlägigen Onlineforen zum Wappentier der Hackerbewegung wurde.

E-Mails an: georg.renner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2011)

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