Warum nicht Ammoniak statt Wasser fürs Leben?

Die Unfälle in Wien-Erdberg regen zu Spekulationen an: Ist Leben auf NH3-Basis vorstellbar? Und journalistisches Leben ohne Kaffee?

Metaware
Ammoniak? Aber geh'!“, rief der Saalassistent in seinem erdigen Oberösterreichisch im chemischen Grundpraktikum, als ein Student klagte, er habe einen Schwall NH3 in die Nase bekommen: „Ammoniak! Davon kann Ihnen nur besser werden!“ Ja, so rau hat man uns behandelt in der alten Zeit, als nicht nur die Telefone noch ihren festen Platz hatten, und hat es uns geschadet?

Sicher irgendwie.

Aber bis heute frage ich mich, wie man den Ammoniak (wie die Chemiker sagen) richtig betont: auf der zweiten Silbe oder auf der ersten und vierten. Das Wort kommt jedenfalls aus dem alten Ägypten: vom Gott Ammon (Amun), zuständig für Wind und Fruchtbarkeit. (Das Zweitere passt gut, schließlich ist NH3ein Ausgangsstoff der Düngerindustrie.) Die Oase Siwa hieß einst nach diesem Gott „Ammonium“, das dort lagernde Salz nannten die Römer „sal ammoniacum“. Von diesem Salz kommt sowohl der Salmiak (NH4Cl) als auch der Ammoniak.

So ätzend der Ammoniak ist, lässt sich seine Chemie analog zu der des lebensfreundlichen Wassers behandeln: Auch er kann H+-Ionen aufnehmen oder abgeben, es entstehen NH4-Ionen (analog zu H3O+) respektive NH2– (analog zu OH–). Wie Wasser kann Ammoniak also sowohl Säure als auch Base sein. In den Sechziger- und Siebzigerjahren, als es noch en vogue war, darüber zu grübeln, ob Leben auch ganz anders funktionieren könnte als bei uns, spielten manche mit diesem Vergleich: Warum nicht flüssiger Ammoniak statt Wasser als Lösungsmittel des Lebens?

Solche Spekulationen sind aus der Mode gekommen; die Forscher, die sich hochtrabend „Astrobiologen“ nennen, weil sie über Leben auf anderen Planeten nachdenken, gehen meist davon aus, dass das Leben dort chemisch zumindest so ähnlich aussieht wie bei uns: wässrige Lösung, Kohlehydrate, Aminosäuren usw. Eigentlich fad.

Ein kleines Flashback hatten diese allobiochemischen Fantasien, als US-Forscher im Dezember 2010 erklärten, sie hätten Bakterien gefunden, die Arsen statt Phosphor in der DNA haben. Das erwies sich leider als Fehlinterpretation eines schleißigen Experiments.

In Erdberg ist am Dienstag übrigens nicht nur Ammoniak ausgetreten, sondern (mehr downtown) auch für einige Zeit der elektrische Strom ausgefallen, was Sie der Mittwochszeitung hoffentlich nicht angemerkt haben. Uns wurde das Gebrechen erst in seiner ganzen Tragweite bewusst, als wir realisierten, dass damit auch der Kaffeeautomat stillgelegt war.

Ist wenigstens intelligentes Leben da draußen vorstellbar, das ohne Koffein auskommt?


E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2012)

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