Das (kurze) Aufatmen in der katholischen Kirche

Entgegen manchen Erwartungen im Vorfeld ist die Beteiligung an den Pfarrgemeinderatswahlen nicht dramatisch abgesackt. Jeder fünfte Katholik machte mit.

Durch die katholische Kirche Österreichs geht so etwas wie ein Aufatmen. Nach Jahren der Dauermeldungen über Austrittsrekorde, Skandale und Missbrauchsfälle gibt es zu Beginn dieser Woche endlich eine gute Nachricht. Zumindest vergleichsweise. Die Ergebnisse der Pfarrgemeinderatswahlen vom Sonntag, genauer die Beteiligung daran, haben selbst Mitarbeiter der katholischen Kirche positiv überrascht.

Die Beteiligung ist nicht dramatisch abgesackt – wie es viele erwartet haben. Für die Bischöfe, die seit Montag in Kärnten bei ihrer Frühjahrskonferenz zusammensitzen, bedeuten die Meldungen aus ihren Diözesen Labsal in schweren Zeiten. Erst am Montag publizierte das „Profil“ Teile der Gerichtsakten aus den Erhebungen wegen Misshandlungen in Kremsmünster bis in die 1990er-Jahre. Und der Druck in Richtung innerkirchlicher Reformen wird auch nicht gerade kleiner.

Zwar lag auch am Montag noch immer kein Endergebnis für alle Diözesen und damit für Gesamtösterreich vor. Aber eines zeichnete sich jedenfalls ab: Ein Waterloo war dieser Wahltag für die katholische Kirche des Landes nicht. Verantwortliche rechnen damit, dass prozentuell ungefähr gleich viele wie im Jahr 2007 die formell wichtigsten Berater des Pfarrers gewählt haben: 20 Prozent der Katholiken. Angesichts der Negativschlagzeilen wäre ein deutlicher Rückgang erwartbar gewesen. Natürlich könnte man argumentieren, eine Beteiligung von 20 Prozent sei nicht wirklich ein Ruhmesblatt. Selbst Studenten zeigen mit 28Prozent Teilnahme mehr Interesse an ihrem Vertretungsgremium. Bei den Pfarrgemeinderatswahlen muss man aber einen anderen Maßstab anlegen.


Schließlich ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass ein Katholik, der nie eine Messe mitfeiert und über keine Bindungen zu seiner Pfarre verfügt, an der Wahl teilnimmt. Daher wird auch ein Vergleich mit der Zahl der durchschnittlichen Messbesucher herangezogen. Dabei zeigt sich, dass ungefähr ein Drittel mehr Katholiken an der Wahl teilgenommen haben, als sonst üblicherweise an einem Sonntag überhaupt in der Kirche sitzen. Die Wahlbeteiligung sei ein starkes Zeichen dafür, dass die Kirche dort, wo sie hautnah erlebt werde, über einen überraschend stabilen Kern verfüge, meint ein hochrangiger Kirchenmann. Wolfgang Müller aus der Erzdiözese Salzburg, so etwas wie der österreichweite Wahlleiter, sagt am Tag danach: „Wenn man es im Kontext sieht, ist es erstaunlich, dass die Wahlbeteiligung so hoch war.“ Andere sehen die Entkirchlichung gar schon an einer Talsohle angekommen.

Mit besonderem Interesse wurde das Ergebnis für Wien erwartet. Schließlich hat Kardinal Christoph Schönborn einen Strukturreformprozess begonnen, der harte Schnitte gerade für Pfarren bedeutet. So sollen (zunächst nur in Favoriten) auch Gemeinden zusammengelegt werden. Ein Sinken der Wahlbeteiligung von 11,6 auf 10,4 Prozent gilt vor diesem Hintergrund fast als Erfolg. Man ist bescheiden geworden.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2012)

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