Deutsche Künstler sagen den Piraten den Kampf an

Die siegreichen Freibeuter des geistigen Eigentums stoßen auf Widerstand. Und es zeigt sich: Piraten und Intellektuelle haben wenig gemein.

So rabiat hat man den sanften Sven Regener noch selten erlebt. In seinem Roman „Herr Lehmann“ grantelte er abgeklärt gegen den Lauf der Welt an, in den Songs von „Element of Crime“ leiht er Versagern seine rauchige Stimme und ringt der Trompete melancholische Melodiebögen ab. Das Horn aber, in das er nun stieß, hat einen kämpferischen Klang: für das Urheberrecht, für geistiges Eigentum, gegen Freibeuterei im Netz.

„Es wird so getan, als ob wir Kunst als exzentrisches Hobby machen“, hieß es in der deftigen Telefontirade für den Bayerischen Rundfunk. Das „Herumgetrampel“ darauf, „dass wir uncool seien, wenn wir darauf beharren, dass wir diese Werke geschaffen haben“, bedeute, „dass man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: Euer Kram ist nichts wert, wir wollen das umsonst haben und scheißen drauf, was du willst“. Das war nicht sehr nobel formuliert, aber es saß. Die Kanonade traf YouTube (also Google), vor allem aber das neue deutsche Parteienwunder: die Piraten, die sich die Legalisierung aller Downloads von Musik, Filmen und Texten auf ihre Totenkopffahnen geschrieben haben. Regeners Wutanfall wirkte befreiend auf eine Hundertschar prominenter Produzenten geistiger Inhalte. Zu Wort meldeten sich der Maler Markus Lüpertz, die Schauspielerin Franka Potente, die Regisseurin Doris Dörrie. Altpräsident und Redenschreiber Roman Herzog hielt einen Eigentumsbegriff, der die „Leistungen des menschlichen Gehirns ausklammert“, für „erbärmlich“.

Hans-Magnus Enzensberger fand an Piraten nichts Revolutionäres: „Es ist sogar überraschend spießbürgerlich“, knurrte der literarische Altmeister: „Wie bei unseren Großeltern, die sich gefreut haben, wenn es was umsonst gab.“ Und der Rapper Jan Delay lieferte sich im „Spiegel“ eine „Battle“ mit dem Berliner Piraten Christopher Lauer: „Nee, Digger“, ist sein Leitmotiv, und das Fazit: „Ich glaube euch, dass ihr Ahnung von Computern habt, aber das ist dann auch schon alles.“

Technikhörige Nerds haben sichtlich wenig gemein mit der kulturellen Elite. In Berlin wollen sie gar der „Deutschen Oper“ den Garaus machen – zwei Opernhäuser seien ja genug. Da wenden sich auch traditionell linksbewegte Intellektuelle voller Grausen von der Jungpartei ab, die sie für ihren rebellischen Geist eigentlich lieben müssten. Es bilden sich gar seltsame Bündnisse: Die breiteste Aktion lancierte das „Handelsblatt“. Da sitzen nun 68er-Helden in einem Boot mit Konzernbossen und kämpfen für das kapitalistische Freiheitsrecht, mit eigenen Ideen Geld zu verdienen – während der Shitstorm der Netzgemeinde auf sie eintobt. Das muss man den Piraten lassen: Sie haben im Weltmeer der Weltbilder so einiges aufgewühlt.

E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2012)

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