Adventgedanken einmal anders: Darf der Nikolaus noch kommen?

Obwohl die Säkularisierung munter fortschreitet, gilt man nicht als bigott, wenn man vom "Christbaum" spricht.

Gestern war der erste Adventsonntag. Drei weitere werden folgen, bis dann endlich das Christkind kommt. Es wird, wie anzunehmen ist, mehr Geschenke bringen als damals im Jahr 1948, als „Die Presse“ erstmals wieder als Tageszeitung erschien. Auch Weihnachtsbeleuchtung gab es nicht in den teilweise noch von Ruinen gesäumten Straßen. Wir mussten ja Strom sparen. Ich war damals Gymnasiast. Wo sind die Zeiten? Als dieses Blatt die Nummer eins herausbrachte, war es dunkel – auch politisch. Der Staatsvertrag lag in weiter Ferne.

Zwanzigtausend „Presse“-Ausgaben später haben die Menschen andere Sorgen. Sie verdammen etwa die Mahü, die kostenintensiv ausgestaltete Fußgängerzone der weihnachtlich festlich beleuchteten Mariahilfer Straße. Aber die Freiluft-Luster glitzern, so wie auch die anderen in den Geschäftsstraßen. Sie werden immer mehr. Täusche ich mich, oder gibt es heuer auch wieder mehr Christkindlmärkte als im Vorjahr – und da waren es schon genug?

Es wird in der Tat strapaziert, das Christkind. Aber muss es sich wirklich mit jenem Ramsch eindecken, der auch in den Budenreihen vor Kirchen und auf Plätzen immer häufiger den Christbaumschmuck ablöst? Allein, seien wir froh. Wir dürfen Christbaum sagen, ohne als bigott zu gelten, weil wir ihn nicht Weihnachtsbaum nennen – und der Säkularisierung Vorschub leisten.

Sie schreitet munter voran, die Säkularisierung. Gewiss, noch darf das Kreuz in den Klassenzimmern und Gerichtssälen gezeigt werden. Und auch in den Kindergärten gelten sie, wie ich in dem Band lese, in dem Herbert Schambeck, einst Bundesrats-Vorsitzender, unter dem Titel „Kirche, Politik und Recht“ seine Vorträge und Abhandlungen der letzten Jahre kompiliert hat.


Das Kreuz sei religiöses und kulturelles Symbol, ein wichtiges Element gemeinsamer Identität, schreibt er. Aber vom Kreuz gehe kein Zwang aus. Schambeck, gläubiger Christ in der österreichischen Politik, meint freilich, dass keiner das Recht habe, das Wort „christlich“ in der Auseinandersetzung des politischen Lebens für sich allein gleichsam als Monopol in Anspruch zu nehmen. In der Tat ist ja der Österreich-Konvent auseinandergegangen, ohne das Wort „Gott“ auch nur zu diskutieren. Gott im Grundgesetz? Die Schweizerische Bundesverfassung 2000 scheute sich nicht, Schambeck zitiert ihren Beginn: „Im Namen Gottes, des Allmächtigen! Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung ... geben sich folgende Verfassung ...“

Es sind ganz absonderliche Gedanken, die beim Advent 2013 aufkommen. Im Kindergarten, höre ich, ist nach dem längst verdammten Krampus nun auch der Gaben bringende Nikolaus zur Unperson geworden. Aber wen wundert dies, da schon vor geraumer Zeit aus dem Radio das Ergebnis einer Straßenbefragung zu hören war. Wie hieß der Sohn von Josef und Maria? Antwort nach kurzem Zögern: „Josef II.“.

Tatsächlich: Die Säkularisierung nimmt zu. Kirche und Staat sind getrennt, müssen zu Recht getrennt bleiben. Dass aber zu Weihnachten das Christkind kommt und nicht der Weihnachtsmann und schon gar nicht Santa Claus, sollte bei uns endemisch sein. Die ersten schmückenden Weihnachtslampen bereits Mitte November aufzuhängen ist kein Trost. Und dass die Christkindlmärkte immer noch so heißen, eigentlich ebenso wenig.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2013)

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