Rot-Grün-Schwarz in der City: Das ist echte Brutalität

In den vergangenen Wochen wurde uns bewiesen, dass Erinnerungskultur mit Kultur oft nicht viel zu tun hat.

Kultur zeigt sich bei uns in vielerlei Gestalt. Neuerdings ist die Erinnerungskultur aktuell, auch als Gedächtniskultur bekannt. Wir können auch Geschichtskultur sagen und solcherart alles das umfassen, was die Historie so interessant macht, dass sie – ja, eben von den verschiedenen Arten der erwähnten Erinnerungskultur betroffen wird. Als vor zwei Wochen Kardinal Schönborn am Abend des 24. Jänner im Dom zu St. Stephan das Requiem für Fritz Molden las, den legendären Eigentümer und Herausgeber der „Presse“, stand nicht nur das Gedenken an den Toten im Mittelpunkt der Feier. Lautstark wurden die Trauergäste gleichzeitig belehrt, was sich am Kulturbegriff seither geändert hat.

Draußen agierte der Schwarze Block in einer Art, die alles, was ich an Demonstrationen erlebt habe, in den Schatten stellte. Dass, wie ich in einem Blog lesen konnte, unter den Geschäften, deren Auslagen zertrümmert wurden, auch eines mit einem jüdischen Inhaber gewesen sein soll, erhöht die politisch-verbrecherischen Begleitumstände des Wütens, das sich ja gegen den Akademikerball der FPÖ richtete.

Am vergangenen Freitag wurde wieder demonstriert, diesmal gegen die Polizei. Und wieder, wenngleich ruhiger, mit ähnlichen Initiatoren. In beiden Fällen war die Diskrepanz mit der öffentlichen Meinung enorm. Wer sich noch eine Spur von politischer Voraussicht bewahrt hat, prophezeit erhebliche Verluste an Sympathiewerten der Grünen. Man gab und gibt ihnen die Mitschuld an dem zeitweiligen Terror, der am 24. Jänner im 1. Bezirk Bewohner und Passanten schreckte. Die wehleidig-weinerlichen Erklärungsversuche und Ordnungsrufe von Eva Glawischnig und Peter Pilz trugen dazu bei, das Grün über Rot auf Fahlgelb wechseln zu lassen.


Und das, obgleich Demonstrationen und Manifestationen in dieser Stadt und diesem Land auf echte Probleme hingewiesen und auch politische Umwälzungen hervorgerufen haben. Gedenken und Erinnerung? Da könnten die Jahre 1927 und 1918 ins Gedächtnis kommen, aber auch das Jahr 1848, als diese Zeitung ins Leben gerufen wurde – Beweis neuer Pressefreiheit und Manifestation des Endes der Zensur. Und wenn wir von Erinnerung und Gedenken sprechen: Dass vor hundert Jahren der Erste Weltkrieg begann und mit ihm das Ende der europäischen Geschichte, wie sie bis ins 20. Jahrhundert existiert hatte, ist wohl das markanteste Ereignis dieser an Merktagen überreichen Zeit.

Ist es österreichische Eigenart, in Demonstrationen, die sich gelegentlich sogar zu Revolutionen auswachsen können, gleichsam hineinzugleiten? Jene, die sich auf dem Stephansplatz und am Graben, in der Bognergasse und Am Hof abspielte, gehörte nicht dazu. Sie ist das Werk von jungen Menschen gewesen, die – sie haben es in ihren Transparenten und Spruchbändern ausdrücklich festgestellt – Hass säten, um ihn dann ernten zu können: „Unseren Hass könnt ihr haben!“, haben sie in großen Lettern geschrieben.

Hass säen, um Hass zu ernten? Wenn der Polizei (die vielleicht wirklich überfordert war, weil sie mit dieser Art zielgerichteter Gewalttätigkeit nicht rechnen konnte) wirklich ein Vorwurf zu machen ist, dann jener, dass sie die festgenommenen Vandalen und Terroristen nicht länger in Haft genommen, sondern nach ein paar Stunden wieder ausgelassen hat. Vielleicht könnte auch dies Gegenstand jener Gespräche sein, die Michael Häupl mit der Innenministerin zu führen gedenkt. Schön wär's!

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2014)

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