Richard Lugner, Toni Faber und die Frage: Wer ist wirklich reich?

Ein aufwendiges "Heft übers Wohnen" zitiert Herder: "Wie Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie."

Michael Spindelegger habe „den in Zahlen gegossenen Stillstand“ vorgelegt, schrieb der Chefredakteur dieser Zeitung in einem Kommentar zur Budgetrede des Finanzministers. Ich darf einen mildernden Umstand anführen: „Spindi“ hat zwar etwaige kommende Steuererhöhungen nicht ausgeschlossen, aber eine Reichensteuer, wie sie von den ideologiegeladenen Sozialdemokraten immer wieder angedacht wird, liegt, wie man weiß, nicht im Vorstellungsbereich der Volkspartei. Nicht zuletzt, weil die Definition fehlt. Wer ist reich?

Offenbar jene, die es sich leisten können, in den Geschäften einzukaufen, von denen die „goldene Meile“ gesäumt wird, das Quartier im ersten Bezirk, das zahlungskräftige Kunden frequentieren. Das waren in letzter Zeit hauptsächlich Russen. Sie bleiben aber jetzt immer häufiger aus, kann man hören. Ist die Ukraine-Krise schuld? Es ist anzunehmen, dass die in Wien schon existierenden und noch geplanten Luxushotels auch ohne diese Klientel aus dem Osten nicht leer stehen werden. Überdies: Was ist schon Luxus?

In meiner Kindheit verfügte unser burgenländisches Ferienquartier über einen Ziehbrunnen und ein Plumpsklo. Als ich Journalist wurde, galt es für Spitzenfunktionäre der SPÖ als politisch korrekt, in einem Gemeindebau zu wohnen – nicht gerade auf Zimmer, Küche, Kabinett, aber bescheiden. In der Großstadt ist indessen das Häusl am Gang selbst in Asylantenquartieren nicht mehr üblich. Hingegen wurde der Bischof von Limburg erst gerügt und dann abberufen, weil er das Haus, das der Diözese gehört und in dem er wohnte, mit einem Millionenaufwand umbauen ließ. Papst Franziskus, der Jesuit, der den heiligen Franz von Assisi zum Vorbild nahm, propagiert eine Kirche der Armut und hat damit vor allem in der Dritten Welt Erfolg. Der Bischof von Limburg und dessen Aufwand entsprach nicht den Vorstellungen des Bischofs von Rom.


Noch einmal: Was ist Luxus? Ein Badezimmer? Es ist längst zur Selbstverständlichkeit geworden und gehört zum normalen Standard einer Miet- oder Eigentumswohnung. Der Komfort ist vor allem auch in Wien in den letzten Jahrzehnten ungemein gestiegen. Das erkannte ich nicht zuletzt, als ich im „Heft übers Wohnen“ blätterte, mit vielen Hochglanzfotos ausgestattet, in dem eine Reihe von Menschen, die man kennt, in ihren Domizilen zu Wort kommt. Gleichsam als Motto wurde dem Druckwerk ein Satz des deutschen Philosophen Johann Gottfried Herder vorangestellt: „Wie Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie.“

Herder schrieb dies im 18.Jahrhundert. Es gilt auch anno 2014. Und die Menschen wohnen in der Tat so, wie sie denken und leben. Da findet sich etwa im „Heft übers Wohnen“ auch Richard Lugner. Er lebe in einem 250 Quadratmeter großen Haus, „das außen unauffällig und drinnen großartig ist“, sagt er. „In der Freizeit bin ich draußen auf der Terrasse oder relaxe einfach.“ Auch Dompfarrer Toni Faber, im Heft ausführlich vertreten, verfügt im Haus der Erzdiözese über eine Terrasse. Die Wohnung ist 100 Quadratmeter groß, aber sie ist von Papst Benedikt gesegnet worden. „Was ich besonders gern mache: Ein Kerzerl anzünden, stilles Gebet mit Blick auf den Stephansdom, ein Glaserl Wein in aller Ruhe. Das ist ein Genuss.“

Noch einmal: Wer ist wirklich reich? Einer, der genießen kann, wie es scheint. Auf der Terrasse. Und wie Toni Faber bei einem Glaserl Wein. Er ist eben der Dompfarrer von Wien.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2014)

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