Culpa in eligendo - österreichisch: Was qualifiziert für die Politik?

Eine Zahnarzthelferin als Nationalratspräsidentin, ein Millionär als Finanzminister: eine denkwürdige Auswahl.

Die Lateiner sprachen von der Culpa in eligendo, der schuldhaften Auswahl. Man könnte, meinten sie, schwere Schuld auf sich laden, wenn Personen für ein Amt ausgesucht werden, die dazu nicht qualifiziert sind. Jede Assoziation mit der politischen Arena dieses Landes ist natürlich ausgeschlossen – Sie meinen das doch auch, oder?

Daher scheint es abwegig, von einer Qualifikation zu sprechen, wenn Politik und vor allem die in ihr tätigen Menschen gemeint sind. Aber es gibt auch Fortuna in eligendo. Fortuna – das muss nicht nur Glück heißen. Je nach dem Zusammenhang kann darunter auch günstiges oder ungünstiges Geschick verstanden werden. Göttin Fortuna hält das entsprechende Los parat.

Ich muss bei der Wahl „in eligendo“ leider doch an Österreich denken. Zuvorderst an die neue Präsidentin des Nationalrats. Nein, nicht deswegen, weil sie von Beruf eine Zahnarzthelferin war. Aber deswegen, weil sie sich erstens anstrengen muss, die Schuhe ihrer Vorgängerin überzustreifen, die ihr, wie ich meine, auch weiterhin viel zu groß sein werden. Und zweitens, weil sie alle Mühe aufzubringen haben wird, jenen Karikaturisten Lügen zu strafen, der ihren Mentor Faymann, den SPÖ-Obmann, auf der Regierungsbank zeigt, mit einer Handpuppe auf den Fingern. Sie ist leicht zu erkennen: Doris Bures. In ihrer ersten Pressestunde hat sie bereits sozialdemokratische Töne anklingen lassen. Aber indessen bemüht sie sich redlich, den Eindruck zu verwischen, dass sie Parteipolitikerin blieb. Trotzdem: Fortuna in eligendo für den Bundeskanzler.


Was aber qualifiziert wirklich für die Politik? Werkzeugmacher zu sein wie der ehemalige Gesundheitsminister, der nun blitzschnell ins Infrastrukturministerium übersiedeln konnte, obwohl die beiden Materien nichts miteinander zu tun haben? Alois Stögers Nachfolgerin ist wenigstens eine promovierte Kinderärztin. Und jedes Ministerium hat ja seine Experten, wie mir vor vielen Jahren der Wiener Bürgermeister Slavik, engagierter Sozialdemokrat von Gnaden, diesmal zum Thema Jugendstil, anvertraut hat: „Des is ka Stil; des hamma meine Fachleut' g'sagt.“

Ohne die Fachleut' kämen die meisten Mitglieder der Bundesregierung (und keineswegs nur die roten sind da gemeint) nicht zurande. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Es sieht ganz so aus, als ob Reinhold Mitterlehner einen Glücksgriff getan habe, als er, selbst Dr. juris und Chef einer schwarzen Regierungsriege mit etlichen Akademikern, einen neuen zum Finanzminister machte: Hans Jörg Schelling.

Fortuna in eligendo fürwahr, auch ohne Vorschusslorbeeren. Einfach deswegen, weil Dr. Schelling weiß, wovon er spricht, wenn er als Verwalter der staatlichen Finanzen offen bekennt, selbst „wohlhabend“ zu sein. Sprich: Er ist ein Millionär und ein Winzer noch dazu. Gehört sich das in der Neidgesellschaft?

Nein, noch trägt keine Verkehrsfläche seinen Namen. Die Schellinggasse ist nach dem deutschen Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling benannt, der im 19. Jahrhundert gelebt und sich zuletzt dem Wesen des Idealismus gewidmet hat. Aber vielleicht wird einst auch Hans Jörg, selbst Idealist, die Ehre eines Straßennamens erfahren. Immerhin hat er mit XXXLutz eines der bekanntesten und erfolgreichsten Unternehmen geleitet. Dass dessen Fernsehspots dumm sind, will ich ihm nicht ankreiden.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
Emails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2014)

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