Halloween und die US-Wahlen Die Walpurgisnacht ist mir lieber!

Am morgigen Dienstag entscheidet sich nicht nur das künftige Schicksal der Vereinigten Staaten.

Ehrlich gesagt: Die Walpurgisnacht ist mir lieber. Nicht nur, weil es mein Hochzeitstag ist: der 30. April, der Tag, an dem traditionell der Maibaum aus dem Wald geholt wurde, um dann Mittelpunkt eines Tanzfestes zu sein. Was natürlich nichts mit meiner Trauung zu tun hat, die damals zufällig auf einen Donnerstag fiel, gefolgt vom Feiertag des 1. Mai und dem Wochenende. Kein Wunder, dass wir, beide berufstätig, die Walpurgisnacht und den darauffolgenden Tag aus Kalendergründen gewählt hatten.

Warum ich Sie als Europäer mit diesem Detail meiner Lebensgeschichte langweile? Weil vor ein paar Tagen wieder einmal, und stürmischer denn je, über den Atlantik eine andere sattsam bekannte „Nacht“ Europa erfasst hat, und, wie ich meine, auch den Rest der Welt: Halloween. Wir haben sie überstanden, obgleich sie wieder einmal nachdenken ließ: Was haben wir an Kulturellem den Amerikanern zu verdanken außer dem bekanntesten Wort der Welt, dem „Okay“? Und dieses o.k. ist, wie Etymologen behaupten, eine falsch geschriebene Abkürzung des Begriffs „all correct“.

Als ich in den frühen 1950er-Jahren mit einem Fulbright-Stipendium in den USA studierte, wussten wir längst schon, dass nach dem NS-Regime Gott sei Dank alles o.k. war, aber Halloween kannte ich noch nicht. Anno 2016 ist es ein Household Word geworden. Die Maskengeschäfte waren ausverkauft. Je grimmiger, desto lieber! Halloween stand heuer im Zeichen des Horrorclowns.

Und die Medien, vor allem die gedruckten, blieben ihm nichts schuldig. Sogar die Sicherheitsbehörden waren mit von der Partie. Sie warnten vor Maskierten und brachten Fotos von Gruselclowns, die am Abend vor Allerheiligen den Menschen das Blut in den Adern erstarren lassen sollten.


Im Mutterland von Halloween hat man gerade heute andere Sorgen, die uns freilich wieder über den kulturellen Austausch nachdenken lassen: Ist es ein Zufall, dass just am 8. November, also morgen, die Präsidentenwahl stattfindet, nach einem Wahlkampf, der sich immer mehr als Gemetzel herausgestellt hat? Ist es ein Zufall, dass sich Halloween diesmal auch in der politischen Arena der Vereinigten Staaten von Amerika abgespielt hat und dass es auch auf dieser Bühne jemanden gab, der die Bezeichnung „Gruselclown“ nicht nur verdiente, sondern sogar stolz darauf schien, als Narr zu wirken? Als Narr, der, wenn man ihn freilässt, gefährlich werden kann – nicht nur für die USA, sondern für die Welt?

Noch nie sind die Vereinigten Staaten, was die Exponenten ihrer Politik betrifft, so sehr im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit und demnach der Weltpolitik gestanden wie diesmal. Und kaum noch ist die Frage, wer künftig das Weiße Haus besetzen wird, so entscheidend gewesen für die Entwicklung des Planeten. Soll sie bestimmt werden von einem Menschen, der gelegentlich die Frage offen lässt, ob er seine fünf Sinne noch beisammen hat? Was wieder unsicher macht, ob dies nicht auch für jene Wähler gilt, die für Donald Trump stimmen. Auch Hillary Clinton ist unbeliebt – mehr, als man es sich in Europa vorstellt. Aber Donald Trump ist mehr als das. Er ist unzurechnungsfähig. Kann man sich vorstellen, was mit der Welt passieren könnte, wenn er das Ruder des noch immer mächtigsten Staates der Erde umklammert? Ich kann es nicht. Ich will es nicht.

Halloween 2016 ist eine Warnung. Die Walpurgisnacht ist mir lieber. Aber das habe ich schon gesagt.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.


E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2016)

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