Weltkulturerbe einmal anders: Unsere Umwelt wurde hässlich

Vom Heldenplatz bis zur dritten Piste des Flughafens Schwechat: Auf dem Beton blühen keine Blumen, oder?

Frühling ist, die Bäume „schlagen aus“ – fragen Sie nicht, was das heißt. Sie sind jedenfalls neu belaubt, die Wiesen sind wieder grün, die Umwelt hat sich von der Winterstarre verabschiedet. Die Umwelt. Was ist die Umwelt? Jener Zweig der Natur, den man schützen soll. So heißt es jedenfalls. Umweltschutz ist in aller Munde. Nicht jedermann oder jedefrau (Obacht, Gender!) weiß etwas damit anzufangen.

Sagen wir es so: Umwelt ist das, was uns umgibt, die Umgebung also, im Alltag, im Beruf, im Privatleben. Sie kann uns stören oder gefällig sein. In letzter Zeit hat das Ungefällige zugenommen. Die Umwelt ist hässlich geworden, scheint es. Mit dem Umweltschutz hapert es offenbar. Allein, worin besteht er? Er hat Dutzende Facetten.

Das Stadtbild gehört zu ihm. An ihm fehlt es, und zwar gewaltig. Darf ich noch einmal über den Heldenplatz sprechen? Gott sei Dank sind die skurrilen Umtaufvorschläge vorderhand dorthin verbannt worden, wohin sie gehören: in ein urbanistisches Absurditätenkabinett. Sie werden hoffentlich darin bleiben.

Aber der Heldenplatz ist auch unter seinem richtigen Namen nicht mehr das, was er einmal war und einmal wieder sein wird: Er ist im Augenblick ein städtebaulicher Abstellplatz. Von Stadtplanung kann heute und in den nächsten Jahren keine Rede sein. Denkmalschutz pfui! Und da zu den Denkmälern auch die Plätze gehören, gehört auch das, was sich auf dem Heldenplatz tut, zum Thema Umweltschutz – auch wenn auf dem Pflaster keine Blumen wachsen. Wir treiben mit unserem Weltkulturerbe, was immer wir darunter verstehen mögen, Schindluder.


Weltkulturerbe ist eine schwere Last. Es bringt auch Pflichten mit sich. Die Stadtbildpflege ist eine davon. Mag sein, dass es vielen Wienern und Wienerinnen – wieder Obacht: Gender! – egal ist, ob dieses Bild durch einen Fremdkörper verfälscht wird. Die Experten der Unesco aber wissen, wie schnell der Eindruck einer städteplanerischen Kostbarkeit verloren geht, wenn ein einheitliches Bild durch einen fremden Akzent gestört ist. Der Blick vom Oberen Belvedere auf die Stadt ist solch eine optische Kostbarkeit.

Zum Glück ist der erste Bezirk, die Wiener Innenstadt, sowohl gesetzlich wie auch aus Gründen der städtebaulichen Ehrfurcht von solchen Attacken ausgenommen. Es genügt, dass der Schwarzenbergplatz, der teilweise dem historischen Stadtkern zugerechnet wird, vor Jahren schon durch seine Lampen und gelegentlich durch Wasserbecken verschandelt wurde.

Umwelt ist die Welt um uns. Ist Umweltschutz der Schutz dieser Welt, was immer sie bedeuten mag? Ein Drittes ist zu vermerken, auch wenn in diesem Fall der Begriff Umwelt anders verstanden werden soll. Die dritte Piste des Flughafens Schwechat ist gemeint, für die sich alle Experten ausgesprochen haben. Nur eine Handvoll Reinluftfanatiker sind dagegen. Ihretwegen sind die Pläne vorläufig einer Realisierung nicht nähergekommen – obgleich das steigende Aufkommen des Luftverkehrs im Interesse der gesamten Donaumetropole liegt und mit dem Umweltschutz kaum etwas zu tun hat. Es erhebt sich da die gleiche Frage wie in unzähligen anderen ähnlichen Problemen: Was ist wichtiger, praktikable Bequemlichkeit der Menschen oder vermeintlich gefährdete Umwelt? Was wieder die Frage zulässt, was man unter ihr zu verstehen hat.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2017)

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