Merk's Wien

Europa aus dem Gleichgewicht - und die Urlaubsplanung dazu

Während die USA noch am jüngsten Wahlergebnis leiden, stehen Österreich und Europa vor wichtigen Urnengängen.

Es „aprilt“ sehr. So, wie es sich gehört in einem normalen Jahr. Aber was ist schon ein normales Jahr? Heute hat die Politik die Urlaubsplanung übernommen. Es begann mit dem Osterurlaub, der heuer besonders spät fällt, und setzt sich in den Sommermonaten fort. Aber was heißt denn überhaupt „Urlaub“, was heißt Ferien, Sorglosigkeit, eine Zeit, deren einzige Probleme jene waren, die aus den Lesern selbst bestanden? Chronos, der Gott der Zeit und auch vor allem jener des Urlaubs, hat heute andere Sorgen.

Es geht um das Ob, im positiven Fall um das Wann und dann um das Wohin. Da das Ob auch für jene, die unter die Mindestsicherung fallen – keine Angst, ich werde Sie mit diesem Thema nicht belästigen! – entschieden sein dürfte, bleibt das Wohin als die wichtigste Frage, die es zu beantworten gilt.

Nein, auf jene nach dem Klima wäre die Antwort nicht schwer. Das weltumspannende Netz der Prognosen macht es leicht, sich zu entscheiden, wenn die Kasse stimmt. Irgendwo auf der Welt herrscht ständig Urlaubsstimmung, sogar an den Polen. Aber nie noch, in keinem Jahr der Welt, war die sogenannte Urlaubszeit so eng von Umständen begrenzt, die außerhalb unserer Beeinflussbarkeit liegen, wie anno 2017.

Machen wir uns nichts vor: Das politische Klima hat sich geändert, und zwar zum Schlechteren. Zum viel Schlechteren – in Österreich, in Europa, in der Welt. Ich kann mich nicht erinnern, dass es in meinem langen Leben als politischer Journalist eine Periode gegeben hätte, in der die Frage, ob die Legislaturperiode der Republik auslaufen soll oder nicht, so auf der Kippe gestanden wäre wie heuer. Die einen nennen sogar den 26. November – ausgerechnet der Tag vor meinem 85. Geburtstag! – als Wahltermin, weil jede Hoffnung, dass sich die Regierungsparteien doch noch einigen könnten (wobei immer noch zu klären wäre, worüber), windig sei.

Die anderen beharren auf den Frühling 2018 und meinen, wenigstens das fällige Jahr der nächsten Neuwahlen entschieden zu haben. An den wirklichen Wahltermin im Herbst 2018 denkt niemand mehr.

Auch auf dem Kontinent hat das Wahlfieber indessen einen Höhepunkt erreicht. Während der sozialistische Kandidat noch nicht endgültig feststeht, ist Marine Le Pen seit Langem am ersten Platz des Front National fix. Sie wird auch in die Stichwahl kommen, aber nach menschlichem Ermessen nicht Präsidentin werden.

Nicht ganz so klar liegen die Dinge in Deutschland. Bis vor Kurzem war Angela Merkel unbestrittene Frontrunnerin der CDU und demnach wieder als Bundeskanzlerin fix. Dann aber trat mit dem Sozialdemokraten Martin Schulz ein SP-Mandatar in den Ring, dem viele zutrauen, er könnte die konservative deutsche Regierungschefin besiegen. Die politische Lage in Deutschland hat sich dadurch verschoben, wenn auch anzunehmen ist, dass Merkel der Wahlsieg am 24. September nicht zu nehmen sein wird. Das heißt, dass die beiden wichtigsten Staaten der EU Wahlen entgegengehen, deren Ausgang unsicher ist.

Gewiss, das haben Wahlen an sich. Rechnet man aber dazu, dass in der Türkei ein Möchtegerndiktator an der Herrschaft ist und in den USA ein Präsident regiert, dem man seinen Wahlsieg nie zugetraut hätte, scheint die Diagnose klar: Die politische Landschaft ist aus dem Gleichgewicht geraten. Das soll unsere Urlaubsplanung aber nicht stören. Nur munter zu!

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.