Bitte nehmen Sie nicht den Lift!

(c) Wiener Linien / Johannes Zinner (Johannes Zinner)
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Wer mit Kinderwagen in den öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien unterwegs ist, kennt den Kampf um die wenigen Plätze im Lift. Und – seien wir ehrlich – nicht jeder der Mitfahrer ist fußmarod.

Wien, du Stadt der Seligen! An jeder U-Bahnstation gibt es Lifte – und vielerorts auch Rolltreppen. Im Vergleich mit anderen Städten, etwa Paris oder New York, ist das reinster Luxus. Denn dort müssen alle Stiegen steigen. Für Menschen mit Gehbehinderung oder mit Kinderwagen (eine EU-Richtlinie verbietet das Fahren auf der Rolltreppe klugerweise) ist die Wiener Barrierefreiheit ein Segen. Eigentlich. Denn viel zu oft sind diese Lifte besetzt. Auf den Türen der Aufzüge steht zwar groß, für wen der Lift gedacht ist: „Vorrang für/Priority for“ über Piktogrammen von einem Kinderwagen, einem Rollstuhlfahrer, einer gebeugten Frau am Stock und einem Mann mit Armbinde und Blindenstock.

Aber mit diesem Vorrang nehmen es die Wiener nicht so genau, vor allem nicht die Bewegungsfaulen. Jungeltern kennen das: Man steht minutenlang für den Lift an (im Gegensatz zu den Rolltreppen ist der nämlich nicht extraschnell) und will einsteigen, da drängt sich jemand – ohne Buggy, ohne Stock – einfach vor.

Die Situation an der U6

Am schlimmsten ist die Situation an der Station Stephansplatz, wo es nur einen Aufzug gibt, und an der U6. Denn bei den historischen Otto-Wagner-Stationen heißt die Wahl mangels Rolltreppe: Lift oder Stiege. Gut, das kann man sogar noch verstehen, dass zahlreiche Passagiere die bequemere Variante nehmen. Doch auch an Stationen, wo direkt daneben eine Rolltreppe ist, fahren erstaunlich viele Menschen mit dem Lift.

Freilich, nicht allen sieht man es an, dass sie fußmarod sind und sie sind es wirklich. Aber unter den Liftfahrern gibt es auch diese: Junge Menschen mit Sporttasche, die gerade vom Fitessstudio kommen oder ins Fitnessstudio fahren. Reindrängler, die glauben, man ärgere sich nicht, nur weil sie „'Tschuldigung“ sagen. Eine Geschäftsfrau in High Heels, die darüber schimpft, dass man ihr nicht mehr Platz macht. Eine Frau, die sich quer in den Lift stellt, sodass niemand mehr einsteigen kann, weil sie, wie sie sagt, Platzangst habe. Zehn Meter weiter ist eine Rolltreppe. Hinter ihr warten vier Menschen mit Kinderwagen.

Mit Kindern hat man es immer eilig

Glauben die Leute, mit Kindern hat man es nicht eilig? Das Gegenteil ist der Fall. Man hat es immer eilig, weil man für alles länger braucht. Wer mit hungrigen und müden Kleinkindern unterwegs ist, kann nicht gemütlich warten, bis jemand einem endlich den Vorrang lässt.

Erfrischend war vor Kurzem die Begegnung mit einer Mitfahrerin an der U6: „Ich weiß, ich sollte zu Fuß gehen“, sagte sie. „Aber ich bin zu faul.“ Das ist zumindest ehrlich.

(c) Wiener Linien / Zinner (Johannes Zinner)

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