Sauermagenalarm!

Mitte der 1990er-Jahre fiel mir das zum ersten Mal auf: In jeder zweiten Bar machten sie plötzlich ein Tamtam wegen eines jungen französischen Rotweins, dem Beaujolais nouveau (oder Primeur).

Mitte der 1990er-Jahre fiel mir das zum ersten Mal auf: In jeder zweiten Bar machten sie plötzlich ein Tamtam wegen eines jungen französischen Rotweins, dem Beaujolais nouveau (oder Primeur). Überall hingen französische Fahnen, und die Kellner schleppten Flasche um Flasche jenes Tranks aus dem Anbaugebiet nordwestlich von Lyon im Burgund herbei, den die Franzmänner in einem Turboverfahren binnen Wochen vergären lassen. Die Flaschen waren so kühl, dass sie beschlugen, der Wein fuhr hurtig in Geist und Zunge und entlockte dieser allerhand Schwüre. Wenig später, jedenfalls am nächsten Morgen, wunderte man sich über das grausige saure Gefühl im Magen (und den Schädel). Im Ausland bekannt machten das Gesöff einst angeblich englische Dandys, die im Privatflugzeug ins Burgund flogen, um die frischesten Weine zu holen. Dass die gern einen kräftigen Essigstich haben, fiel ihnen wohl nicht auf – und später auch nicht den Massen.

Gestern war es wieder soweit: Der Beaujolais nouveau kam in Frankreich auf den Markt. Bald wird er bei uns sein, überall werden Trikoloren flattern und Menschen mit zusehends säuerlichen Gesichtern Wein aus beschlagenen Flaschen trinken. Aber Rennie wird den Magen schon aufräumen. WG


E-Mails an: wolfgang.greber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2012)

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