Die Gesprächseinbrecher

In der U-Bahn Leberkässemmeln kauen, im Zug in penetranter Lautstärke mit dem Handy telefonieren – über solche Unsitten lassen sich schon Bibliotheken an Beschwerden füllen.

In der U-Bahn Leberkässemmeln kauen, im Zug in penetranter Lautstärke mit dem Handy telefonieren, auf die Straße spucken – über solche Unsitten lassen sich schon Bibliotheken an Beschwerden füllen. Mir fällt indes seit Jahren ein Übel auf, von dem ich bisher nichts las: das rücksichtslose Hineinplatzen in ein Gespräch, um sich vorzudrängen. Diese Unart breitet sich aus wie ein Quallenschwarm, vor allem am Arbeitsplatz. Sobald zwei zusammenstehen und reden, dauert es keine zwei Minuten, bis eine dritte Person quasi wie ein Bulldozer durch die Wand kracht und einen der Gesprächspartner ungebremst vereinnahmt, er solle doch „schnell“ dies oder das tun, man habe „bloß“ eine kleine Bitte etc. Seltsam: Als Kind hab ich noch gelernt, dass man, wenn Menschen miteinander reden, zuerst höflich „anklopfen“ soll, bevor man dazwischengeht – das geht ganz leicht, etwa mit einem simplen „Pardon“.

Einst war ich bei einem Empfang im Außenministerium in ein Gespräch mit einem Gast aus Asien vertieft, als ein gelackter Ministerialbeamter popanzartig dazwischentrat und den Mann für sich annektierte (was diesem klar unangenehm war). Wenn aber sogar Diplomaten zu Gesprächseinbrechern werden, muss man bei den Manieren wohl alle Hoffnung fahren lassen. WG


E-Mails an: wolfgang.greber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2013)

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