Liebe Tochter! (17)

Wie wenn es gestern gewesen wäre.

Wie wenn es gestern gewesen wäre. Dabei ist es jetzt schon der 17. Weihnachtsbrief an Dich. Ganz schön gschnappig hast Du Dich entwickelt, seeehr selbstbewusst. Waren wir, Deine Eltern, anders damals? Kaum. Ich weiß nur noch so viel, dass mich in Deinem Alter dünkte, eine geniale Mixtur aus Schopenhauer und Nietzsche zu sein. Die Mittelschullehrer wussten dies nicht zu würdigen.

Dass Du von den Philosophen nicht viel hältst, ist kein Wunder. Die hatten weder Facebook noch Google, hätten Dich daher auch zu Lebzeiten nie erreicht, wenn das Teufelszeug schon erfunden gewesen wäre. Denn wer Dich nicht - liked -:), der ist für Dich Luft, schnuppe sozusagen. Ein Glück, dass wir noch mit Dir unter einem Dach hausen dürfen. – Ich übertreibe, wie es im „Pizzicato“ üblich ist. In Wahrheit dürftest Du ein recht normales Erdenkind sein, auch wenn der Vater hauptsächlich als Taxler und Zahlmeister beschäftigt wird. Apropos: Wann darf ich endlich die Fahrprüfung bezahlen? Zunächst freilich warten dringlichere Probleme auf mich. Eine geräumigere Smokinghose etwa, seit Deinem letzten Ball ist leider ein ganzes Jahr vergangen. Und es war ein gutes Jahr. Werde ein bissl nachsichtiger mit Deinem Vater, den Du streng wie einen jüngeren Bruder behandelst („Wir sprechen heute noch“). Oder, besser noch: Bleib einfach, wie Du bist. (hws)

Reaktionen an:hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2013)

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