Lob der Faulheit

Ein beneidenswertes Faultier-Leben.

Das erste halbe Jahr nach der Geburt klammert man sich im kuscheligen Bauchfell der Mutter fest und liegt gut versteckt auf ihr wie in einer Hängematte. Dann beginnt so etwas wie der Ernst des Lebens: kopfüber hängend in den Baumkronen des Regenwaldes, egal, ob beim Fressen, beim Schlafen, beim Sex. Und das Wichtigste: Alles im Zeitlupentempo. Für die Nahrung – Blätter, Knospen und Früchte – muss man nicht schnell sein. Sie hängt einem buchstäblich zum Maul herein. Weil freilich die pflanzliche Kost wenig Energie liefert, empfiehlt sich diese entschleunigte Lebensweise. So verbraucht man weniger Energie. Nur nicht hektisch durchs Geäst springen!

Dies als Hinweis für hypernervöse und entsprechend ausgemergelte Halbmarathonläufer, Bergaufradler, Gymnastikfanatiker, Ironmen und sonstige Wahnsinnige. Hier ein Tipp, der auf langer Erfahrung beruht: Dräut Ihnen ein neuer Vorgesetzter aus der Provinz, so stellen sie ihn einfach auf das, was wir die „Wiener Probe“ nennen können – mit einem Besuch im Stelzenparadies „Schweizerhaus“. Wenn der Typ die glänzende Kruste mit Ekel beiseiteschiebt, die trauliche Fettschwarte mit Abscheu aussondert – dann darf man beruhigt aufatmen: Der Mensch hält sich nicht lange in Wien! Unter vier Augen: Bisher lag ich immer richtig! (hws)

Reaktionen an:hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2014)

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