Noblesse oblige

Ich ruf' Sie sicher an. Demnächst. Die Daten hab' ich ja jetzt.“ Es war bei einem der diversen Presseheurigen, die vor dem Schulschluss in massierter Form zu absolvieren sind.

Ich ruf' Sie sicher an. Demnächst. Die Daten hab' ich ja jetzt.“ Es war bei einem der diversen Presseheurigen, die vor dem Schulschluss in massierter Form zu absolvieren sind. Schon wollte ich die Visitkarte des Zeitdiebes wegstecken, da fiel es mir erst auf: Der gute Mann hatte nicht nur Wohn- und Büroadressen samt Telefon- und Faxanschlüssen, sondern auch Mobilnummer, E-Mail-Adresse und Homepage aufdrucken lassen. Eine Unsitte, die zwar praktisch sein mag, aber nicht den feinen Sitten entspricht.

Schon der äthiopische Adelsspross Asfa-Wossen Asserate, ein in Deutschland lebender Bestseller-Autor, hat diskret darauf hingewiesen, dass der Mann von Welt auf seine Visitkarte nichts als den Namen drucken lässt. Der Brauch stammt ja aus der Zeit vor 1914, als man noch vormittags – in Gehrock samt Zylinder – seine Aufwartung machte, dem Dienstmädchen seine Karte aufs Silbertablett legte – und inbrünstig betete, dass die gnädige Frau „leider nicht zu Hause“ sei. Damit war Zeit gespart, die man sonst vertrödelt hätte. Und die Karte abzugeben genügte.

Was der feine Herr also zusätzlich von seiner Privatsphäre mitteilen möchte, schreibe er mit Füllfeder auf die Rückseite. So geht das! Und klagen Sie nicht, dass Ihnen dies alles viel zu mühsam sei. Noblesse oblige! (hws)

Reaktionen an:hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

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