Bauern im Großstadtstadel

Der lustige heimische Watschentanz zwischen der kleinen städtischen Enklave Wien und den (bevölkerungsmäßig) übrigen 80 Prozent des Landes namens Österreich ist echt ein Perpetuum mobile.

Was war da wieder jüngst in einem lauten Wochenmagazin zu lesen: „Wer vor zehn Jahren mit Lederhose durch Wien marschiert wäre, hätte sich die Beschimpfung als ,Bauer‘ eingehandelt.“ Und in dieser Zeitung hochselbst ward formuliert: „Tracht und Großstadt gehen nicht immer gut zusammen (...) Auch ein Erntedankfest fühlt sich alles andere als vertraut an. Noch dazu auf dem Heldenplatz.“

Nun, die schöne Stadt hat seither bewiesen, dass sie modisch so offen ist, dass der Griff in den konservativ-rustikalen Kleiderschrank jäh als avantgardistisch gilt. Umgekehrt hat ja auch niemand was gesagt, wenn Urbanos in Anzügen, Röhrenjeans, Kapuzenjacken und Nerdbrillen ins Freiland entwichen, oder? Aber ich frag mich, wieso der Begriff für eine ganze Menschengruppe – Bauer – ein Schimpfwort sein kann, grad in einer politisch korrekten Stadt, die angeblich für jedermann/frau von Turkmenistan bis Djibouti so offen ist. „Arbeiter“, „Student“ oder „Kreativer“ sind ja auch keine Schimpfwörter. Und was das Erntedankfest betrifft: Ist danken in einer Stadt nicht nötig? Isst man dort nichts? Von hart gekochten iPhones und fritierten „Freitag“-Taschen wird man eigentlich nicht satt...

Reaktionen an: wolfgang.greber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2014)

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