Syrizanismus

Wie gründet man eine Religion? Nun, man muss das Rad nicht ganz neu erfinden. Man kann auf bewährte Modelle, die sich seit Jahrtausenden bewährt haben, zurückgreifen.

Was es im Idealfall einmal braucht, als emotionales Unterfutter, ist ein Opfermythos. Der Religionsstifter ist von verständnislosen Widersachern umgeben, dafür wird er von seinen Anhängern umso intensiver verehrt. Ein enormer Wettbewerbsvorteil ist es, wenn die Missionierung von Griechenland aus startet – hat schließlich schon einmal funktioniert. Die Jünger werden ausgeschickt, allen voran der Apostel Yanis, selbst ein Charismatiker, um in ganz Europa den Samen der neuen Bewegung zu säen.

Von entscheidender Bedeutung ist es dabei, die Schriftgelehrten in den anderen europäischen Ländern, die selbst mit nur 140Zeichen in der Lage sind, die Welt zu erklären, für sich zu gewinnen. Dies ist allerdings auch nicht allzu schwer. Dürsten diese doch nach neuem spirituellen Nektar, da die alten sinnstiftenden Bewegungen in ihren Heimatländern mittlerweile ausgelaugt, verdorrt oder den Dritten Weg gegangen sind.

Wahrscheinlich werden sich noch in tausenden Jahren Historiker und Religionswissenschaftler mit den Wurzeln des Syrizanismus beschäftigen. Wir können sagen, wir sind dabei gewesen. (oli)

Reaktionen an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2015)

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