Griechenland: Alles schon da gewesen...

Der griechische Staat ist arm, das ist nicht seine Schuld, aber schlimmer als seine Armut ist die schlechte Finanzwirtschaft, die im Land herrscht.

Der griechische Staat ist arm, das ist nicht seine Schuld, aber schlimmer als seine Armut ist die schlechte Finanzwirtschaft, die im Land herrscht. In einem Griechenland, in welchem der Bazillus des Größenwahns wütet, wird erst recht gestohlen auf Staatskosten. Um der liederlichen Wirtschaft ein Ende zu machen, kann nur eine strenge Finanzkontrolle helfen, denn wenn auch der griechische Staat bettelarm ist, die Griechen sind es weit weniger. Aber auf solche Reformen wird man in Athen schwer, sehr schwer eingehen, denn nur ein starker Druck könnte da helfen. Und wenn auch Deutschland wollte – ob die zunächst meistbeteiligten Mächte England und Frankreich mitmachen würden, ist recht sehr die Frage.

Im modernen Hellas besteht der allerliebste Brauch, dass die Anhänger des jeweiligen Ministerpräsidenten und seiner Leute es als ein schönes Vorrecht betrachten, so wenig wie möglich oder, besser noch, gar keine Staatssteuern zu bezahlen. Jedenfalls muss aber ernstlich die Angelegenheit im Auge behalten werden, sonst ist alles Geld, welches Griechenland erhalten hat, total verloren. Schonung solchem Staat gegenüber üben zu wollen ist freilich Torheit, aber die Langmut mehrerer Großmächte gegenüber Griechenland hat tief, unendlich tief blicken lassen.“

(„Der Schlei-Bote“, Kappeln bei Schleswig, 17.Mai 1897.) (hws)

Reaktionen an: hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.