„Vranz“ und die Memoiren

„Spät kommt ihr, doch ihr kommt!“ Ein geflügeltes Zitat. Schiller. So weit reicht es ja noch.

Aber ist's nun aus 1)„Wallensteins Lager“ oder doch 2)„Die Piccolomini“? Verflixt. Heute aktive Politiker (und Journalisten) sollte man mit derlei Nebensächlichkeiten wohl nicht molestieren. Doch einst beschäftigte diese Frage einen ausgewachsenen Chefredakteur und einen leibhaftigen Bundeskanzler. Nein, nicht schon wieder Kreisky!

Keineswegs. Es war nämlich Franz Vranitzky. Und als er Friedrich, den Schiller, zitierte, tippte er auf 1). Thomas Chorherr widersprach und wusste hundertprozentig: Es war 2). Eine Flasche Rotwein vom Besten stand auf dem Spiel. Tags darauf erschien der Fahrer der Bundeskanzlers mit einem Holzkistchen und einem Billett des „Vranz“ mit artiger Gratulation. „Das war natürlich lang vor Erfindung der Compliance-Regeln für Journalisten und Politiker“, schmunzelt Vranitzky. Und er erzählt, dass sein Vorvorgänger Bruno Kreisky die defizitäre „Arbeiter-Zeitung“ nie zusperren wollte – „nur über meine Leiche“. „Ich bin dann“, sagt Vranitzky, „vor dem Problem gestanden, dass ich entweder einen veritablen Köpfler gemacht hätte oder die Pleite des ganzen Vorwärts-Verlags riskiert hätte. Ich hatte nur das Pech, nicht wie Kreisky vorher gestorben zu sein.“ (hws)

Reaktionen an:hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2015)

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