Autokorrektokratie

Als der Mensch begann, seine Gedanken in die Klaviaturen der Schreibmaschinen zu klopfen, mendelte sich rasch die optimale Methode zur Überbrückung der Distanz zwischen Hirn und Tasten heraus.

Generationen von Schülern mögen die öden Stunden verflucht haben, in denen ihnen anhand sinnentleerter Diktate die Zehnfingertechnik eingetrichtert wurde, heute jedoch mag mancher von ihnen im Stillen seinem Schreibmaschinenlehrer danken. Das Diktat zwang zur Genauigkeit, mag man es reformpädagogisch auch als Dressur verachten. Wer Fehler machte, der war für sie ebenso verantwortlich wie für ihre Korrektur.

Doch irgendwann, nachdem Computer die Schreibmaschinen und Smartphones die Computer abgelöst hatten, befand jemand, dass dem Menschen die eigenen Fehler nicht mehr zumutbar seien. So entstand Autocorrect, diese Schar neunmalkluger Algorithmen, die unsere Tippfehler schon während ihrer Entstehung verschlimmbessert. Aus freundlichen Grüßen, Liebesschwüren oder der Verabredung zum Federballspiel wird im besten Fall Kauderwelsch und im schlimmsten eine Kriegserklärung. All das unter dem Fähnlein des Fortschritts, wo man sich nicht mehr der Mühe unterwerfen muss, Fehler zu vermeiden oder aus ihnen zu lernen, weil weise Autokorrektokraten wissen, was wir zu wollen haben. (go)

Reaktionen an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2015)

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