Die Holzbiene

Es begann mit nächtlichen Nagegeräuschen. Wer schmatzt denn da so laut – und noch dazu aus dem Fensterrahmen?

Ängstlich nahmen wir nach Sonnenaufgang die Lage in unserer neu bezogenen Washingtoner Wohnung in Augenschein. Da, ein Loch im Rahmen! Und da noch eines! Und da – meine Güte, da krabbelt eine enorme Biene aus dem Holz! Der Vermieter nahm die Kunde, dass die Substanz seines Spekulationsobjekts einem entomologischen Angriff ausgesetzt ist, so lang mit Nonchalance entgegen, bis wir die Mutmaßung in den Raum setzten, es könnte sich vielleicht um Termiten handeln. Bei Termiten kennt er keinen Spaß, die fressen auch dem gleichgültigsten Slumlord Millionaire die Balken aus der Bude. Flugs war der Kammerjäger zur Stelle, mit routiniertem Blick stellte er fest: Na klar, vergammelte Holzfenster, ein Paradies für Holzbienen. Mit einer Pumpe blies er Staub in die Brutlöcher der Larven, damit hatte sich das nächtliche Geschmatze erübrigt. Seither plumpst allerdings alle paar Wochen eine frisch geschlüpfte Biene aus dem Küchenfenster. Angeblich ist sie harmlos, aus dem Müsli oder der Gurkensuppe möchten wir sie dennoch nicht klauben. Wehmütig denken wir an die Zeit zurück, als wir Wespen für die ärgste Sommerqual hielten. Wespen kann man aussperren. Gegen Holzbienen helfen nur Plastikfenster.

Reaktionen an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2015)

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