Freiheit fürs Hirn

Eine ideologische Weltsicht ist gern etwas eng
Eine ideologische Weltsicht ist gern etwas engWolfgang Greber
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Ideologen und Ideologiegesteuerte sind eigentlich wie Menschen, die in einem Turm leben, wo nur ein einziges kleines Fenster den Blick auf die Welt kanalisiert.

Seltsames stand in einem Kommentar einer heimischen Zeitung. Der Kontext ist conchita, es geht nur um das: „Pragmatismus“, so die Aussage, sei ein Wort mit „scheußlich schlechtem Ruf“. Nun ja, die Sache liegt allerdings schon etwas anders: Einen üblen Ruf hat Pragmatismus wohl nur bei jenen hyperpolitischen Typen, die ihr Hirn exklusiv an irgendeine Ideologie ketten. Für die pragmatische Mehrheit sind bei Alltagsthemen und Problemlösungen hingegen meist Kriterien wie Sachlichkeit, Zweck- und Praxisbezug, Vernunft und Machbarkeit wichtiger als fremde Denkvorgaben und Theorien von Sozialmechanikern, Politkommissaren und Weltbildhauern.

Oh ja: Viele Ideologien bergen in sich nicht wenige kluge Inhalte – aber sie neigen dazu, freies Denken und sogar Leben zu hemmen, und zwar umso mehr, je doktrinärer sie und ihre Fans daherkommen, was letztlich in Belächlung bis Anfeindung Andersdenkender, Denkverboten etc. mündet. Supertolle Weltsichten sind das dann oft: schwarz-weiß, entweder-oder, Freund-Feind, 0 oder 1, schön digital ohne störende pragmatische Zwischenstufen. Und nein: Pragmatismus hat mit Orientierungslosigkeit nix zu tun. Vernünftige, g'hörige Weltsichten und Problemlösungen haben und brauchen keine Himmelsrichtung.

Ideologen und Ideologiegesteuerte sind eigentlich wie Menschen, die in einem Turm leben, wo nur ein einziges kleines Fenster den Blick auf die Welt kanalisiert. Also, ein pragmatisches Panoramafenster mit 360°-Sicht ist einfach g'scheiter.

Reaktionen an: wolfgang.greber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2015)

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