In unserem Ort ist das immer öfter zu beobachten: Eine Straße führt kerzengerade durch einen Bahndamm, wobei sie sich auf eine Spur verjüngt, über wohl etwa 30 Meter.
In unserem Ort ist das immer öfter zu beobachten: Eine Straße führt kerzengerade durch einen Bahndamm, wobei sie sich auf eine Spur verjüngt, über wohl etwa 30 Meter. Nur auf einer Seite hat man Vorrang: Da ist das blaue Schild mit dem weißen Pfeil in Fahrtrichtung und dem roten für den Gegenverkehr. Drüben zeigt die rot-weiße Tafel mit dem schwarzen Pfeil in Gegenrichtung und dem roten in Fahrtrichtung Nachrang an. Bisweilen checkt ein Benachrangter das nicht und merkt erst am Beginn der Passage, dass er den gerade Entgegenkommenden durchlassen muss. Schiach wird's aber, wenn der Benachrangte die Enge schon zu mehr als der Hälfte oder fast ganz passiert hat, aber sein anfangs noch fernes Gegenüber den Vorrang im letzten Moment erzwingen will. Die Typen geben dafür sogar Gas! Dann stehen zwei Autos mit wummernden Motoren Kühlergrill an Kühlergrill, und es wär' cool wie ein Duell aus „Spiel mir das Lied vom Tod“,tät' nicht der Vorranghirsch mit (Licht-)Hupe und Fingergestik herum wie Rumpelstilzchen. Bisweilen muss der andere gar durch den Tunnel zurück! Das ist demütigend. Aber der Hirsch braucht wohl einen kleinen Sieg als Ausgleich für irgendwas.
Vorrangrumpelstilzchen sind oft ältere Herren in einem Mercedes oder Opel und junge Männer in BMWs. Ich sah aber auch schon reifere Damen rumpeln. Wenigstens das eint die Generationen. (wg)
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)