Kauterisierter Kaffee, mit Anlauf

Die US-Schnellimbisskette Dunkin' Donuts rühmt sich, jenen koffeinhaltigen Treibstoff in Umlauf zu bringen, der die USA vorantreibt („America runs on Dunkin'“, lautet ein Werbespruch).

Aus eigener Anschauung können wir das weder bestätigen noch falsifizieren, denn drei Jahre nach dem Umzug nach Washington ist es uns noch immer zu vermeiden geglückt, dort einzukehren. Dem Glückseligkeitsversprechen von Dunkin' Donuts können wir uns dennoch nicht entziehen, denn im National Public Radio läuft ein Werbespot, der heißen oder eisgekühlten Kaffee anpreist. Auf Englisch ist das „hot or iced coffee“, aber monatelang drang ein vernuscheltes „cauterized coffee“ ans morgendlich matte Ohr. Kauterisierter Kaffee? Welche verwegenen Sinnensfreuden soll so eine rabiate Behandlung, mit der man in der Chirurgie Gewebe gezielt verbrennt oder verätzt, den Kaffeebohnen entlocken? Oder sagen Baristas und andere modische Knusperköpfe statt „rösten“ heute „kauterisieren“? Diese akustische Verwirrung ließ uns daran denken, wie wir vor Jahren in jugendlichem Leichtsinn mit dem Gedanken flirteten, eine Rolltreppe der Wiener U-Bahn hinunterzurutschen. „Runter vom Handlauf!“, erscholl es aus dem Lautsprecher der Stationsaufsicht. „Oida, nimm Anlauf!“, verstanden wir. Die Welt, sie ist ein Obstsalat der Missverständnisse.

Reaktionen an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2015)

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