Die seidene Schnur?

Die Not ist groß, o Herr“, jammert der Großwesir anlässlich der morgendlichen Visite beim Sultan und wirft sich bäuchlings zu Boden.

„So groß, dass sich deine diversen Agas nicht mehr zurechtfinden. Ihnen fehlt die Orientierung, die lenkende Hand, das denkende Hirn. Die Regierung, erhabener Effendi, zerflattert in alle Himmelsrichtungen, was tun, o du Licht der Morgenröte?“ „Sehr bedauerlich“, murmelt der bescheidene Sultan in seiner goldstrotzenden Burg, „ich vernehme immer deutlicher schlimme Kunde über den Khediven Faymann: Hat seine Partei nimmer im Griff und in seinem wohlfrisierten Köpfchen tummeln sich nächtliche Gedanken, die ums Sesselkleben kreisen.“ Der Großwesir kramt umständlich in seinem weiten Gewand. „Was suchst du, Bruno?“, herrscht ihn der Erhabene an. „Ja, wo hab ich's nur? Da, o Herr und Gebieter!“ „Die seidene Schnur? Du Irrwisch, das war einmal. Nein, wir machen's humaner. Ich will selbst in die Niederungen hinabsteigen und Faymanns Patzer ausbügeln. Ab dem 9. Juli wär' mir sowieso fad. Und nun geh, es sei mein Wille!“ Der krawattenlose Höfling geht ab. Kopfschüttelnd.

PS: Am 9. Juli 2016 um neun Uhr wird Heinz Fischer die SPÖ interimistisch als Parteichef übernehmen. Ob ihn Norbert Hofer auch als Bundeskanzler angelobt, ist noch nicht ganz klar. (hws)

Reaktionen an:hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.