Punktverlust

Die jungen Leute von heute haben's nicht leicht: Ständig müssen sie Meldungen über den Stand ihres Befindens in den sozialen Medien protokollieren, und dabei entgleist ihnen die Interpunktion auf prekäre Weise.

Das hat Folgen für die Kulturgeschichte, wie wir neulich der „New York Times“ entnehmen mussten.

Sie ließ Professor David Crystal von der University of Bangor in Wales mit der alarmierenden Erkenntnis zu Wort kommen, dass der Punkt vom Aussterben bedroht sei. Professor Crystal lässt diese Warnung auf seinen empirischen Studien an britischen Schulen fußen, welche ergeben hätten, dass die Jugend der Bequemlichkeit wegen auf die Beendigung von Sätzen mit Schlusspunkten verzichtete. Wo mag das noch hinführen? Der Effizienz halber könnte man beispielsweise Vokale weglassen. Mn vrstht dnn nch mmr, wrm s ght, nd sprt sch n Mng Zt, ncht whr? Eindringlicher noch wäre der gänzliche Verzicht auf Buchstaben. Die Ägypter hatten schließlich auch nur Hieroglyphen, um sich über Pyramidenbau und Pharaonentaxidermie zu verständigen. Doch Professor Crystal hat herausgefunden, dass die Jungen Emoticons nicht mehr ♥, weil ihre Eltern das mittlerweile auch ☺ fänden. Einziger Trost: Der Punkt erhält, wenn er beim Simsen und Chatten bewusst gesetzt wird, eine neue, sarkastische Bedeutung. Das ist großartig.

Reaktionen an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2016)

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