Heute, Montag, ist also wieder Parteitag. Jeden Montag, so verspricht's der Bundeskanzler, will er im Eckzimmer der SPÖ-Zentrale im zweiten Stock ausschließlich Parteiarbeit verrichten. Das gestellte Foto aus der Vorwoche, das den Parteivorsitzenden tief sinnend zeigt, den Blick auf den gerahmten Bruno Kreisky gerichtet, war kommunikationstechnisch eindrucksvoll.
Dort, an der spartanischen Holzwand, hatte der legendäre Sonnenkönig 1967 den Sinnspruch des Horaz angebracht: „Den Gleichmut wahr dir mitten im Ungemach, wahr ihn desgleichen, lächelt hold dir das Glück.“ Als Kreisky nach einer Kampfabstimmung und gegen den Willen des ÖGB Parteichef und Oppositionsführer wurde, war er nur um sechs Jahre älter als Christian Kern heute ist. Und da Herr Kern den Alten nicht kennen konnte, wollen wir ihm auf die Sprünge helfen: Kreisky hat ab 1970, also seit er Kanzler war, das Parteizimmer kaum je mehr betreten. Er regierte bis neun Uhr im weißen Bademantel von daheim aus per Fernsprecher, danach im feudalen Prunk Metternichs am Ballhausplatz. Den Gleichmut wahrte er auch nicht immer, wie wir wissen. Da war schon viel Schauspielerei dabei. Zumindest in diesem Punkt könnte Herr Kern ein würdiger Nachnachnachnachnachnachfolger des alten Kreisky werden. (hws)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2016)