Pizzicato

Als mir Kohl die Tür wies

Von einem Weltpolitiker aus dem Haus geschmissen zu werden kann wohl auch nicht jeder in seiner Vita verbuchen.

Ich tue es mit Stolz, mit großem Respekt vor Helmut Kohl, dessen Verdienste in Gleichklang standen mit seiner herrischen Art, ohne die wahrscheinlich all das Große nicht möglich gewesen wäre.

Und das kam so. Alle Jahre wieder, anfangs August, durfte ich in Sankt Gilgen zum traditionellen Kohl-Exklusivinterview antreten. Der Ministerpräsident und spätere Bundeskanzler hatte sich als Hausnachbar in der Mondseer Straße für einen Monat eingemietet. Mehrere Jahre ging alles gut, die Chefs in Wien waren zufrieden. Doch dann endete dieses – recht einseitige – Vertrauensverhältnis schlagartig. Denn einmal unterbrach ich sein historisches Privatissimum unbedacht: „Ja, das schreibt auch ,Der Spiegel‘ am Montag - - -“ Ja. Das war falsch. Blöd. Kohl schluckte rasch, fast hätte er den Pfälzer Wein ausgespuckt: „Dieses Drecksblatt lesen Sie?!?! - - - Dort ist die Tür!“ Mir blieb nur der geordnete Rückzug. Ein schmählicher Abgang. Und ein telefonisches Donnerwetter aus der Wiener Redaktion. So schnell wird man persona ingrata.

Helmut Kohl hat später Deutschlands Wiedervereinigung gemeistert. Und zwar gänzlich ohne meine weitere Bekanntschaft. Seltsam. Friede seiner Asche. (hws)

Reaktionen an: hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2017)

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