Der Spurensucher auf dem Blutacker

(c) Mirjam Reither
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Timothy Snyders Meisterwerk „Bloodlands“ über die Massenmorde in Osteuropa ist ab heute offiziell im Handel.

Porträt des Tages

Ab heute ist das im Verlag C.H. Beck auf Deutsch erschienene Buch „Bloodlands“ offiziell im Handel. „Bloodlands“ ist das bisherige Meisterwerk des US-Historikers Timothy Snyder, in dem er das Verhungern, Erschießen, Erschlagen und Vergasen im „Europa zwischen Hitler und Stalin“ ab den 1920er-Jahren schildert. „Bloodlands“, das ist der Blutacker zwischen Ostsee und Schwarzem Meer, zwischen dem heutigen Ostpolen und den westlichen Regionen des heutigen Russland, mit der Ukraine und Weißrussland in der Mitte. (In der kommenden „Presse am Sonntag“ nimmt Snyder ausführlich zuseinem Werk Stellung. )

Sein „Erweckungserlebnis“ hatte der am 18.August 1969 geborene Snyder im großen Revolutionsjahr 1989, als die mittelosteuropäischen Staaten das sowjetische Joch abschüttelten. Von da an nahm ihn die Region gefangen. Er studierte die Geschichte dieser Länder, bereiste sie, lernte die Sprachen; mittlerweile spricht er Polnisch, Ukrainisch, Tschechisch, zudem Französisch und Deutsch.

Doch schon vorher, noch in der Highschool in Ohio, hatte ihn der 1986 in Deutschland tobende „Historikerstreit“ über die Vergleichbarkeit von Hitlers und Stalins Verbrechen gefesselt. Noch 25 Jahre nach diesem Streit wundert er sich über die „Ignoranz der Geografie“, wie sie bei den damaligen Hauptprotagonisten Ernst Nolte und Jürgen Habermas offenkundig wurde.

1996 schloss Snyder sein Doktoratsstudium in Oxford ab – und war arbeitslos. Er fand seine erste Anstellung als Forscher in Wien: beim Institut für die Wissenschaften vom Menschen. Dem IWM ist Snyder bis heute treu geblieben, obwohl ihn Umwege über Harvard an die US-Eliteuniversität Yale führten, wo er Professor für Geschichte ist.

Schon Anfang 2012 kommt Snyders nächstes Buch, eine zusammen mit dem verstorbenen Tony Judt geschriebene intellektuelle Geschichte des 20.Jahrhunderts. Dann soll eine groß angelegte Geschichte Osteuropas erfolgen.Sie wird wohl sein Opus magnum werden. b.b.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2011)

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