Wenche Elizabeth Arntzen leitet den wohl schwierigsten Prozess der norwegischen Nachkriegsgeschichte.
Ihre Freundlichkeit darf nicht zu falschen Schlüssen führen: Ohne je die Stimme zu heben, per Du selbst mit dem Angeklagten, sitzt Wenche Elizabeth Arntzen auf der Richterbank in Saal 250 im „Tingsrett“ von Oslo. Doch sie kann beinhart durchgreifen, wenn sie es für nötig hält. Perücken oder andere Insignien richterlicher Würde gibt es nicht in Norwegens Justiz, doch die 52-Jährige braucht solche Attribute nicht, um Autorität auszustrahlen. Sie ist es, die als Gerichtsvorsitzende den größten Strafprozess über die Bühne bringen muss, den Norwegen seit der Abrechnung mit den Kollaborateuren nach der Besetzung durch Hitlerdeutschland erlebt hat.
Die ersten Prozesstage deuten an, dass diese Aufgabe bei ihr in guten Händen ist. Sie bremst den Angeklagten Anders Breivik, wenn dessen Ausführungen ausufern, aber gibt ihm die Zeit, sich zu erklären. Sie zögerte nicht, einen Schöffen seines Amts zu entheben, weil dieser sich durch einen Facebook-Kommentar unmöglich gemacht hatte. Doch meist hört sie aufmerksam zu. Dass der Prozess die schwierigste Herausforderung ihrer Karriere ist, lässt sie sich nicht anmerken. Sie ist auch nicht die Erste in ihrer Familie, die vor einer solchen Aufgabe steht. Ihr Großvater war der Ankläger im Prozess gegen den Nazi-Führer Vidkun Quisling, der 1945 als Landesverräter hingerichtet wurde.
Dass Breivik nicht nur die Legitimität der norwegischen Justiz generell ablehnt, sondern auch konkret die ihre in Zweifel zieht, weil sie eine gute Freundin der Schwester von Ex-Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ist, die ganz oben auf dessen Todesliste stand, nahm sie mit einem nachsichtigen Lächeln „zur Kenntnis“. Von ihren Kollegen wird Arntzen als „fachlich sehr tüchtig, routiniert und erfahren“ beschrieben. gam