Nein, lasst HC Strache und sein Team ja nicht an die Macht!

Vor drei Tagen sprach sich Michael Fleischhacker für eine Regierungsbeteiligung der FPÖ aus – diese wäre nicht schlimmer als eine Fortsetzung der Großen Koalition. Einspruch, Herr Chefredakteur!

Michael Fleischhacker argumentiert in seinem Leitartikel in der Samstagsausgabe der „Presse“ (21.1.), dass Heinz-Christian Strache wohl ein ehemaliger Neonazi sei, aber dass dies lange her sei. Großartig: Nächster Bundes- oder Vizekanzler Österreichs soll also ein Mann werden, der ein ehemaliger Neonazi ist. Wäre das nicht genug, stellt sich auch noch die Frage, ob dieser Spuk bei Strache einfach so aus und vorbei sein kann – von ihm weggegangen wie eine Grippe nach ein paar Tagen Fieber.

Vielmehr ist Strache bis heute ganz eng mit den Burschenschaftern vom Korporationsring verbunden. Eine der wesentlichen Aufgaben dieser Herren scheint zu sein, bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass Österreich am 8.Mai 1945 – dem Tag der Kapitulation Hitler-Deutschlands – nicht befreit worden sei.

Graue Eminenz des Korporationsrings ist der Dritte Nationalratspräsident, Martin Graf von der FPÖ, seinerseits prominentes Mitglied der Burschenschaft Olympia, bekannt für ihren Einsatz gegen das NS-Verbotsgesetz und für Neonazis. Noch in den 1990er-Jahren schrieb diese auf einem Flugblatt: „Wir sind normal geblieben unterm Schutt der Zeit, an uns sind Umerziehung, Trauerarbeit und Betroffenheit, doch auch Konsum, soziale Dünkel und Moderne fast völlig spurlos vorbeigezogen.“ Alles klar? Wir wissen also, mit wem wir es zu tun haben.

Der frühere FPÖ-Vorsitzende Norbert Steger hat diese nette Gesellschaft einmal als „Kellernazis“ bezeichnet, die sich zwar offiziell zur Demokratie bekennen, sich jedoch inoffiziell oder heimlich nicht von nationalsozialistischem Gedankengut oder von ihren Kontakten zur Neonazi-Szene losgelöst haben. Stegers seinerzeitiger Versuch, die FPÖ von diesen „Kellernazis“ zu befreien, misslang gründlich. Man erinnert sich an den Cartoon von Manfred Deix, auf dem Norbert Steger auf einem Rednerpult stehend „Nazis raus!“ schreit, um sodann fast allein übrig zu bleiben. Sogar Jörg Haider scheiterte an dieser Gruppe, er gründete daraufhin das BZÖ.

Die Regierungsbeteiligung der FPÖ hat schon einmal Minister hervorgebracht, die heute fast allesamt in Korruptions- und Amtsmissbrauchsverfahren verwickelt sind. Kommt Strache in die Regierung, werden dazu noch Personen in der Ministerriege auftauchen, die sich nicht vom Nazi-Gedankengut gelöst haben.

Wohl werden Strache und sein Team schon nicht die Demokratie ausschalten, wie Fleischhacker richtig schreibt – aber ist alles andere wirklich egal?

Das zweifellose Versagen von SPÖ und ÖVP, den Zulauf zu Straches FPÖ zu stoppen, darf nicht als Argument dienen, Strache und seine Partie an die Macht zu lassen. Will man verantwortungsvoll für Österreich agieren, muss man versuchen, Änderungen bei SPÖ und ÖVP zu erzwingen. Ist das nicht möglich, müssen neue Parteien, am besten über die alten Parteigrenzen hinweg, gegründet werden. Noch sind fast zwei Jahre Zeit.

Pikanterie am Rande: Am Wochenende rief Strache den Präsidenten der Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, zum Rücktritt auf. Strache musste wissen, dass Muzicant schon vor Längerem mitgeteilt hat, im Februar zurückzutreten. Nach der Rücktrittsaufforderung von Strache wird Muzicant wohl bleiben müssen. Welche Absicht Straches steckt da dahinter?


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Zum Autor:

Mag. Martin Engelberg ist Psychoanalytiker, Geschäftsführer der Wiener Psychoanalytischen Akademie, geschäftsführender Gesellschafter der Vienna Consulting Group sowie Mitherausgeber des jüdischen Magazins „NU“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2012)

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