Hoffnungslos, aber nicht ernst!

Die Wahlen werden nichts ändern: Wir nähern uns der Unregierbarkeit.

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos – ein Stehsatz; die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst – seine Travestie von Karl Kraus; zum Kalauer österreichischer Frivolität geworden.

Ich meine die Lage des österreichischen Regierungssystems. Die Große Koalition ist spektakulär gescheitert. Unser aller Bundespräsident erwartet einen Neustart nach der Wahl. Ich habe keine Hoffnung, dass die Wahlen etwas im Grundsätzlichen ändern. Wir nähern uns weiter der Unregierbarkeit. Sehen wir einmal davon ab, dass eine Zusammenarbeit von Schwarz-Rot nach der Wahl keine Große Koalition mehr ist, denn die beiden Parteien werden über keine Zweidrittelmehrheit verfügen, und nur diese macht eine Koalition zur großen.

Aber eine Koalition der beiden Volksparteien ist ohnehin unwahrscheinlich. Rudolf Burger trifft den Nagel auf den Kopf: „Das Problem besteht darin, dass wir es heute mit zwei politischen Blöcken zu tun haben, die in vielerlei Hinsichten konträre Vorstellungen haben und umso weniger kompromissfähig werden, je mehr sie schrumpfen.“ Die Österreicher wollen Rot-Schwarz nicht mehr. Die Medien sind ihrer überdrüssig. Die Protestparteien genügen den Wünschen beider: von viel Volk und vom Boulevard.

Die September-Wahlen 2008 werden das gleiche Ergebnis bringen, wie die Wahlen 1999. Drei annähernd gleich große Lager: die beiden Volksparteien links und rechts der Mitte und die Protestparteien (zwei oder drei Boulevardpopulisten), und dann noch die zehn Prozent im Kalk erstarrten Grünen. Schon 1999 scheiterten die Verhandlungen zur Großen Koalition, ebenso 2003. Gleichermaßen die Einbeziehung der Grünen in die Verantwortung. So wie damals sind sie tief gespalten: Die einen zieht's zu den Roten, die anderen zu den Schwarzen. Keiner lässt den anderen... Die schwarz-blaue Zusammenarbeit 2000 durchschlug den gordischen Knoten. Haiders Bekenntnis zur EU und das Fallenlassen anderer Hindernisse machten die Zusammenarbeit möglich. Leider hat sich Haiders FPÖ selbst zerstört. Strache kehrte voll in das 20. Jahrhundert zurück: Austritt aus der EU und andere Barrieren wurden wieder aufgerichtet.

Was bleibt da für eine Regierung übrig? Die beiden Größeren können und dürfen nicht, mit der FPÖ will niemand, die Grünen zerreißt's in der Regierungsverhandlung, mit dem BZÖ will auch niemand zu dritt. Was Populisten wie Dinkhauser u.ä. wollen, außer die Macht, bleibt uns verborgen. So ist keine Regierung zu machen.

Österreich hat die Wahl zwischen Pest und Cholera: wie Dänemark Minderheits-Regierungen, die nur fürs Geldverteilen eine Mehrheit finden und alle zwei Jahre scheitern; oder wie Italien unter Prodi Mehrparteien-Koalitionen, die sich auf nichts einigen können. Das Radikalmittel Mehrheitswahlrecht hat keine Chance auf Verwirklichung – so könnte man wohl auch nicht mit Blau, Grün, Orange, Fritz u.a.m. ohne schwere Verwerfungen verfahren. Hoffnungslos? Es scheint so! Ernst? Die Wähler entscheiden, wie sie entscheiden, nehmen die Lage nicht ernst, finden alles sehr spannend. So wird wohl eine chinesische Verfluchung wahr: Mögest du in spannenden Zeiten leben!

Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2008)

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