Hausaufgaben nach der Katastrophe

Die Finanz- und Wirtschaftskrise, gefolgt von der Eurokrise, haben schonungslos die Mängel im System offengelegt.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise, gefolgt von der Eurokrise, haben schonungslos die Mängel im System offengelegt. Auf dem internationalen Finanzmarkt wütet der schrankenlose Liberalismus; die Gruppe der 20 bedeutendsten Industrienationen wird wohl endlich dem Finanzmarkt einen zwingenden Gesetzesrahmen und den Vorrang der staatlichen Ordnungspolitik auferlegen müssen. Die Eurokrise machte auch grundlegende Mängel in der Währungsunion deutlich. Diese in sich verschränkten Katastrophen haben in nur wenigen Jahren unermesslichen Schaden angerichtet. Welt- und europaweit sind wir aber trotz aller Unkenrufe auf gutem Weg, die Hausaufgaben zu machen. Das gesammelte Wissen und Können der europäischen Regierungen wird die Währungsunion zu einer echten Finanzunion umbauen.

Und Österreich? Österreich ist bis jetzt gut durch die Krisen gekommen. Angesichts der unverständlichen Vorgänge hat die Volksverführung allerdings Hochkonjunktur. Die großen währungspolitischen Entscheidungen fallen nicht im Land, wir wirken daran im europäischen Bereich nur konstruktiv mit. Die erste Hausaufgabe ist erst zur Hälfte gemacht: den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen und das Schuldenmachen zu beenden. Mit dem vom Nationalrat gerade beschlossenen Haushaltsgesetz, das Einnahmen und Ausgaben für die nächsten vier Jahre gesetzlich festlegt, haben wir den halben Weg hinter uns. Eine weitere Hausaufgabe haben viele noch gar nicht erkannt: Was sagt uns die Verdrossenheit über die Entscheidungsvorgänge der letzten Monate zu unserer Demokratie? Milliardenkredite – und Haftungen – werden im Nachhinein im Parlament nachvollzogen: Bedeutet demokratische Mitgestaltung lediglich die Einsicht in das Unvermeidliche?

Keineswegs, und daher müssen die parlamentarischen Instrumente neu gestaltet und geschärft werden. Die Entscheidungen in den europäischen Gremien können nicht im Nationalrat vorbeschlossen werden. Die üblichen Verfahren der Mitgestaltung sind ungeeignet: Plötzlich auftretende Problemlagen erfordern ebenso plötzliche Entscheidungen. Eine einzige Beschlusssitzung auf europäischer Ebene muss oft reichen. Ansatzpunkte für schnellere Verfahren der Mitwirkung des Nationalrats gibt es schon. Nur wenige Stunden vor jedem europäischen Rat informieren Bundeskanzler und Finanzminister den Hauptausschuss des Nationalrats, der u.U. sogar den Regierungsmitgliedern bindende Richtlinien mitgeben könnte. Ein Allparteien-Komitee – das „Feuerwehrkomitee“ – könnte parallel zum Rat tagen und jederzeit von Brüssel her befasst werden. In der bisherigen Praxis graue Theorie: jeder Regierung ein Gräuel, nur eine lästige Hürde. Diese Verfahren noch beweglicher und zwingender zu gestalten und damit alle Parteien einzubinden, die Probleme und die Entscheidungsfindung öffentlich zu machen, ist unabdingbar. Da liegt die Herausforderung für unsere Demokratie – nicht im Wahlrecht und nicht bei mehr Volksabstimmungen.


meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2010)

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