Ein Stoßgebet für einen Irrtum. Keinen Frank Grillo, bitte!

Am Sonntag wird das Abschneiden der FPK in Kärnten zeigen, wie viel man den Wählern noch zumuten kann, und in Niederösterreich, wie frustriert und hellhörig sie eigentlich sind.

Zur Autorin:

Entgegen der landläufigen Meinung, Journalisten wollten immer und überall recht behalten, sei hier eingestanden: Es gibt Situationen und Phasen – vor allem in der österreichischen Politik –, da wünscht man sich nichts sehnlicher, als sich zu irren. Heute, einen Tag vor den Landtagswahlen in Niederösterreich und Kärnten, ist so ein Tag, an dem man ein Stoßgebet für einen Irrtum absetzen möchte.
Das dumpfe Gefühl, es könnte in Kärnten doch zu keiner klaren Absage an die Gnaden- und Korruptionspolitik der FPK in den letzten Jahren kommen, muss sich, bitte, bitte, als Fehleinschätzung herausstellen. Wenn nämlich das Wahlergebnis in irgendeiner Weise – und sei diese auch noch so mutwillig – als Bestätigung der Politikvariante à la Scheuchs & Dörfler interpretiert werden kann, also als nachträgliche Rechtfertigung für das „System Haider“, dann ergibt das in der gesamten politischen Landschaft einen ungeheuren Flurschaden.
Erstens würden alle Politiker daraus den Schluss ableiten, dass man den Wählern nahezu alles zumuten kann. Zweitens wäre so ein Ergebnis eine Art „Freibrief“ für unseriöse Praktiken aller Art, mit denen sich Parteien über alles hinwegsetzen können. So hat die FPK ein Plakatverbot im Wahlkampf verlangt und sich dann prompt nicht daran gehalten. Eine Billigung der „Anything goes“-Politik wäre wirklich schlimm.

In Niederösterreich muss man die Wähler geradezu anflehen, die Erwartung, auch sie könnten zwischen Frank Grillo und Beppe Stronach nicht unterscheiden, zu widerlegen. Denn falls das niederösterreichische Wahlergebnis beweist, dass es in Österreich – wie zuletzt in Italien – völlig gleichgültig ist, was ein Kandidat sagt und ankündigt, Hauptsache, er ist gegen das Bestehende, dann verheißt das nichts Gutes für die Nationalratswahl und die Zeit danach.
Zwischen dem italienischen Komiker und dem komischen Milliardär bestehen zwar nicht viele Gemeinsamkeiten, aber doch einige entscheidende Parallelen: Beide kandidieren, ohne sich die Mühe der parlamentarischen Demokratie antun zu wollen. Die Sympathisanten beider hören nicht wirklich zu, was diese sagen. Es genügt, dass die zwei Lautstarken einfach „anders“ sind. Für beide ist Polemik Programm und autoritäres Auftreten Selbstverständlichkeit. Und beide wollen mit keiner anderen politischen Kraft im Land zusammenarbeiten.

Deshalb das Stoßgebet. Es muss sich einfach als Irrtum herausstellen, dass diese beiden Landtagswahlen und die folgenden die Vorboten für eine schwierige Regierungsbildung nach der Bundeswahl im September sind, wie sie das Land noch nie erlebt hat.

Die Zeichen stehen auch bei uns auf „Veränderung“, ohne dass SPÖ und ÖVP im Bund auch nur schwach signalisieren, dies erkannt zu haben. Von dem Frust über dieses Nicht-Begreifen-Wollen könnte Beppe Stronach noch im Herbst profitieren – unter (nochmals sei es wiederholt) tatkräftiger Mithilfe mancher Medien. Dann gibt es im Parlament keine politisch sinnvolle Mehrheit und „spannende Zeiten“, vor denen man sich aber hüten sollte, wie Meinungsforscher Fritz Plasser im „Profil“ meinte.
Sollte es doch so kommen, wird sich die Einschätzung Heinz Fischers, keine unkonventionelle und mutige Entscheidungen treffen zu können, hoffentlich auch als Irrtum erweisen.

Anneliese Rohrer ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse.com/blog/rohrer

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