Verbieten, verteuern, verärgern: Grant auf Rot-Grün in Wien steigt

Wenige Tage nach der Wohnoffensive der ÖVP verkündete die Wiener SPÖ Pläne für eine neue Immobilienabgabe. Spindelegger versäumte eine Gelegenheit, Rot-Grün vor der Wahl anzugreifen.

Hat die ÖVP in einem ungewöhnlichen Anfall von taktischer Finesse zufällig das Thema „Billiger wohnen“ ausgerechnet drei Tage vor der Klubklausur der Wiener SPÖ in Rust entdeckt? Kann sein, muss aber nicht sein. Es könnten auch die Spatzen die SPÖ-Pläne zu neuen Immobilienabgaben in Wien, die zwangsläufig zu einer Verteuerung der Mieten führen müssen, vom Dach des Rathauses gepfiffen haben. Oder die Bundes-ÖVP hatte einfach Glück.

Für diese Variante spricht, dass die Wiener ÖVP den Inhalt des vorzeitigen Ostergeschenks, Absender Finanzstadträtin Renate Brauner und Wohnstadtrat Michael Ludwig, vorerst gar nicht richtig einzuschätzen wusste. Von einem gut vorbereiteten Kampf an vorderster Front der ÖVP gegen die rot-grüne Abzockerpartie im Rathaus war nichts zu bemerken.

Darauf hätte aber die Wohnoffensive von Michael Spindelegger vor der SPÖ-Ankündigung neuer Abgaben abzielen müssen. Dann hätte man gleich auch noch gegen Rot-Grün mobil machen können, denn die neuen Belastungspläne der Wiener SPÖ treffen sicher den Nerv vieler Wiener Wähler, die in der rot-grünen Stadtpolitik nur mehr eine Linie erkennen: Verbieten, verteuern, verärgern.

Die Chance, den Grant der Wähler auf die derzeitige Stadtregierung zu schüren, war in letzter Zeit noch nie so intakt wie jetzt: Die Arroganz, mit der die Grünen jeden Einwand von Bürgern beiseitewischen, für einen Radweg Bäume zu opfern bereit sind, sich rasch neben der SPÖ bei den Töpfen mit Steuergeld angestellt und immer mehr „Beauftragte“ aus den eigenen Reihen versorgt haben, bietet eine parteipolitisch ideale Angriffsfläche. Die Grünen in Wien sehen so alt aus, dass viele enttäuschte Wähler abgeholt werden könnten – auch im Bund.

Darüber hinaus hatte die SPÖ in den letzten Tagen auch noch Pech: Da schwingt sich Ex-Wohnbaustadtrat Werner Faymann, derzeit Bundeskanzler, zum Hüter des Gemeindebaus auf, gleichzeitig bricht aber gerade dort ein neuer Korruptionsfall mit vermeintlichen Unregelmäßigkeiten bei Aufträgen etc. auf. Jedenfalls alles Fakten für die Korruptionsstaatsanwaltschaft, die „gelernte Wiener“ sofort bereit sind zu glauben.

Die Chance auf Grantpflege hat die ÖVP jedoch nicht ausreichend ergriffen. Stattdessen ließ sich Michael Spindelegger auf einen Kleinkrieg mit Faymann um Gemeindebau und Zweckbindung der Wohnbauförderung ein. Gewonnen hat ihn keiner. Entgegen den Ankündigungen schreckten nämlich SPÖ und ÖVP davor zurück, entsprechende eigene Anträge im Nationalrat einzubringen. Die ÖVP wollte den Besserverdienenden im Gemeindebau an den Kragen, die SPÖ den Bundesländern bei der Zweckwidmung der Fördergelder. Die Courage, das im Nationalrat auszutragen, hatten beide Koalitionsparteien nicht.

Politik hat ihre eigene Logik: In einer Zeit, in der jeder Wähler weiß, dass Wohnbaugelder verzockt wurden, wird über zu wenige Wohnungen gejammert. Wohnungen sollen billiger werden, weshalb Belastungen erfunden werden, die Wohnen verteuern.

2008 wurde die Zweckbindung der Fördergelder aufgehoben, um sie am Ende der Legislaturperiode wieder einzuführen. Klar, fünf Jahre sind zu lang, um Entwicklungen abzuschätzen. Es scheint, dass auch sechs Monate bis zur Nationalratswahl für SPÖ und ÖVP zu lang sind.


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Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

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