Robbie Williams und das laute Schweigen der üblichen Empörten

Was sagt es über unsere Gesellschaft, die jungen Frauen von heute, die Vorbilder für junge Männer, die Feministinnen und unsere Medien aus, wenn Sexismus einfach so hingenommen wird?

Ich such immer die mit dem größten Busen aus.“ Er sagte es in Deutschland, er sagte es in Wien und wird es noch oft wiederholen. Eigentlich traute man seinen Ohren nicht, was da bei der Liveübertragung des Robbie-Williams-Konzerts in Ö3 zu hören war. Das „Vorführen“ einer jungen Frau auf der Bühne, die Versicherung, ihre Brüste nicht zu berühren, aber eigentlich gern mit ihr ins Bett gehen zu wollen, gehört zum Programm. Seine Sache, denkt man sich, und wartet auf eine entsprechende Verurteilung des Ö3 Kommentators. Vergeblich.

Dann erwartet man ein Pfeifkonzert und Buhrufe von den 65.000 Konzertbesuchern. Mitnichten. Erregtes Johlen nur. Kann man von einer jungen Frau verlangen, dass sie in diesem Moment das einzig Richtige sagt – „Das ist Sexismus pur. Go f. . . yourself“ – und die Bühne verlässt? Nein! Kann man von Kritikern und Kommentatoren verlangen, dass sie diese derbe Bloßstellung als solche benennen und nicht verharmlosen? Ja!

Schlimmer noch als die sexistische Einlage eines als intellektuell dumpf wahrgenommenen Sängers aber war die Reaktion in den österreichischen Medien darauf. Kein Wort der Distanzierung, Begeisterung im Boulevard, kaum eine Erwähnung der Peinlichkeit. Zum Glück hat sich wenigstens die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 10. Juli des Themas angenommen. So muss man lediglich an der österreichischen Szene verzweifeln.

Aber noch schlimmer: Wo war der Aufschrei der versammelten Feministinnen? Wo war der Sturm der Empörung, der sogenannte Shitstorm, in den Social Media? Nicht einmal ein sanftes Lüfterl am nächsten Tag. Nichts. Robbie Williams, der ist halt so? Künstler sind halt so? Warum aber hat keine der aufgeregten Feministinnen beim Busensager des deutschen FDP–Politikers Rainer Brüderle gesagt: Alte Männer, mein Gott, sind halt so. Könnte man mit dem gleichen Recht behaupten. Aber nein, damals schwappte die Empörung wochenlang über Deutschland und Österreich.

Sexismus ist Sexismus ist Sexismus. „Künstler“ können sich so äußern. Natürlich. Das ist auch nicht das Problem, sondern die Reaktion der Öffentlichkeit darauf. Wenn ein weiblicher Fan auf diese Weise instrumentalisiert wird, wirft das zumindest die Frage auf: Was ist mit den jungen Frauen heute los, dass sie sich das nach wie vor gefallen lassen und auch noch neidisch bis verzückt darauf reagieren?

Wie wenig haben die Frauenrechtlerinnen denn erreicht, wenn Junge das heute noch voll okay finden? Eigentlich wäre auch zu erwarten gewesen, dass jemand von den üblichen empörten Frauen in den Medien die Vorbildfunktion des Schreihalses für die jungen Burschen in seinem Publikum in Zweifel zieht. Von denen werden nämlich viele glauben, es sei in Ordnung, Frauen so zu behandeln. Und niemand in Österreich rückt das wie die „FAZ“ zurecht. Auch vonseiten der Politik war trotz des ständigen Gefasels über die Stellung der Frau in der Gesellschaft kein Sterbenswort zu hören. Man will es sich ja weder mit dem Boulevard noch mit Fans verderben.

Der Sänger sei gar nicht satisfaktionsfähig, heißt es jetzt verniedlichend. Alte Männer oft auch nicht! Wenn das nächste Mal also wieder ergriffen über mangelnde Sexismussensibilität geklagt wird, ändere ich das Programm und hör mir Robbie Williams an!


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Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2013)

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