Weihnachten als Trick der Politik, Proteste ins Leere laufen lassen

Langsam lichten sich die Nebel, warum der rot-schwarze Koalitionspakt unbedingt fertig sein musste und die Audi-Max-Bewegung von 2009 als Vorbild diente.

Weihnachten muss ja für vieles herhalten und ist bei etlichen Regierungbildungen schon als Fallfrist für Verhandlungen missbraucht worden, doch selten so vordergründig wie dieses Jahr. Feiertage als Instrument der Politik sozusagen!

Danach wird die Aufregung um und der Protest gegen den Pakt von Rot und Schwarz vorbei sein, wurde allen Informationen zufolge als heimliches Motto ausgegeben. Der Sturm der Entrüstung über die Abschaffung eines eigenen Wissenschaftsministeriums ist zumindest von den Studenten und Universitäten her erwartet worden. Machen wir es wie 2009, war wohl die Devise.

Damals tobte mit der Uni-Brennt-Bewegung der Protest vor allem an der Wiener Universität. Die Politik reagierte einfach nicht – in der, wie sich zeigte, berechtigten Hoffnung, dass „bald Weihnachten ist“, die Studenten die Besetzung des Audi Max deshalb aufgeben und nach den Ferien im Jänner nicht wiederkehren werden. So wurde das Audi Max am 21.12. 2009 geräumt. Und dann war Schluss.

So will man auch den Aufruhr der vergangenen Tage ins Leere laufen lassen – auch jenen der Beamten. Die 1,6 Prozent Erhöhung für Politikergehälter hat ja auch keine Reaktion mehr ausgelöst. Ein Hoch der „stillen Zeit“.

Das Wissenschaftsministerium wurde in der ÖVP leichten Herzens zugunsten eines eigenen Familienministeriums geopfert. An den Universitäten seien ohnehin nur rot-grüne Studenten, für die Volkspartei als Klientel wahltechnisch uninteressant. Nur dem ehemaligen Bildungssprecher Werner Amon, der ehemaligen Wissenschaftsministerin Beatrix Karl und den Steirern war das Herz so schwer, dass sie dem neuen Klubobmann Reinhold Lopatka mit einer Geste des Widerstands gleich einmal zum Einstand eine schwere Schlappe zufügten. Die Autorität, die Lopatka dadurch verloren hat, muss er sich erst wieder aufbauen.

Also an den Unis, so die innerparteiliche Lesart in der ÖVP nicht erst seit heuer, sei für die Partei nichts zu holen – außer an der Wirtschaftsuniversität. Aber diese Studenten werden Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner wohl zu schätzen wissen, der parteitaktische Flurschaden also klein bleiben. Mitterlehners Zuständigkeit für die Kunsthochschulen könnte noch für die eine oder andere Belustigung sorgen, aber dort ortet die ÖVP auch nicht ihre Klientel.

Und überhaupt Kunst und Kultur! Diese eignen sich gut, Ex-Finanzministerin Maria Fekter noch einmal zu demütigen. Justiz, Finanzen, sogar Verwaltung wären Fekter-adäquate Bereiche gewesen. Aber sonst? So antiintellektuell wie die SPÖ kann die ÖVP noch lange sein. Vor dem Hintergrund des Verzichts der ÖVP auf den „rot-grünen Haufen“ an den Unis ist es nur logisch, dass in all den Stellungnahmen zur Verteidigung des Aus für ein eigenständiges Wissenschaftsministerium Studenten überhaupt keine Rolle spielten. Kein Wort über die Studienbedingungen, kein Wort zur Qualität. Wie es im Moment aussieht dürfte Spindelegger seine ÖVP gleich zu mehreren Fehleinschätzungen verführt haben. Es wird es noch bereuen.

Ganz sicher hat er nicht mit der großen Empörung über das Wirtschafts- als Uni-Ministerium und die Art, wie er Karlheinz Töchterle behandelt hat, gerechnet. Der Ingrimm geht weit in bisher ÖVP-affine Schichten hinein. Hier bleibt ihm nur die Hoffnung auf die Weihnachtsamnesie und die übliche Apathie der jetzt Aufgeregten.

Die Schaffung eines eigenen Familienministeriums für die ÖVP als „Familienpartei“ wird das nicht kompensieren können. Es fehlt ein modernes Familienbild. Ob Sophie Karmasin die Richtige ist, unter diesen Umständen einen Image-wechsel in der ÖVP zu vollziehen und der Partei einen Mehrwert an Stimmen zu bringen, wird von vielen bezweifelt.

Ein Hinweis auf seinen verunglückten Einstieg als Finanzminister und den Hohn in Brüssel soll dem Vizekanzler jetzt erspart bleiben. Er hat auch ein Recht auf geruhsame Weihnachtstage.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2013)

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