Stillschweigen als Voraussetzung für die eigene Karriere

Ein U-Ausschuss zur politischen Verantwortung für das Hypo-Alpe-Adria-Desaster muss her – auch schon deshalb, um Dienstnehmern das Rückgrat zu stärken.

Kennen Sie den Abgeordneten der FPÖ zum Nationalrat, Elmar Podgorschek? Nein? Macht nichts. Können Sie sich an die Pleite der Paradefirma Eumig 1981 erinnern oder haben Sie davon gehört? Nein? Macht nichts. Dennoch kann man hier eine Verbindung herstellen, die tief in das System Politikwirtschaft in Österreich blicken lässt.
Und diese geht so: Der Vizeklubchef der FPÖ, rhetorisch und hochdeutschrelevant etwas eingeschränkt, hat diese Woche im Nationalrat wieder die sehr richtige Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zur Klärung der politischen Verantwortung für das Hypo-Alpe-Adria-Desaster verlangt. Nochmals eine Zusammenfassung: wirtschaftlich falsche Entscheidungen der Bank (Stichwort Megaexpansion), politische Einmischung, Duldung der riskantesten Geschäfte durch die Prüfinstanzen, wahrscheinlich auch auf politische Intervention hin. Schweigen untergeordneter Stellen, deren Mitarbeiter die Pleite wahrscheinlich kommen gesehen haben. Am Ende Geld, Bank und Arbeitsplätze weg. Und für all das wurde bisher niemand politisch zur Verantwortung gezogen – nicht im Bund, nicht in Kärnten.

Was das mit dem Eumig-Konkurs zu tun hat? Wirtschaftlich falsche Weichenstellungen auf Druck der Politik: 1979 ruft Bruno Kreisky den Besitzer Karl Vockenhuber an, ob Eumig nicht 200 bis 300 eben arbeitslos gewordene Bergbauleute von Fohnsdorf unterbringen könne. Eumig werden vom damaligen Finanzminister Hannes Androsch maximale Förderungen für die erwarteten Gesamtkosten von 600 Millionen Schilling (4,3 Millionen Euro) versprochen. Die „rote“ Länderbank stellte einen 300-Millionen-Schilling-Kredit zur Verfügung. Vier Jahre später „rettet“ Kreisky Eumig mithilfe der Länderbank nochmals. Ein Jahr später ist das Geld weg, der Paradebetrieb pleite und 6000 Arbeitsplätze futsch. Zur Verantwortung wurde niemand gezogen. Längst ist auch die Länderbank verkauft.

Was soll da, bitte, ein U-Ausschuss ändern? Ganz einfach. Wenn einmal klargestellt wird, dass die Verantwortung schlagend werden kann, werden Politiker nicht so leichtfertig mit der Wirtschaft Hazard spielen. Und die Akteure auf den unteren Ebenen werden aus purer Angst, vor den U-Ausschuss zitiert zu werden, mutiger werden.
Der Zwilling des vorauseilenden Gehorsams ist nämlich das vorauseilende Stillschweigen. Es gab in der Sache Hypo Alpe Adria bei der Bank selbst und in den staatlichen Prüfstellen – Finanzmarktaufsicht und Nationalbank – ganz gewiss Mitarbeiter, die wussten: Das kann so nicht gut gehen. Sie haben geschwiegen. In Österreich sind ja nach wie vor Schweigen und Verdrängen ein Karriereturbo, Aufzeigen von Missständen und laute Warnungen jedoch Hindernisse für das eigene Fortkommen.
Wenn die Führung der FMA, der Aufsichtsorgane, der Nationalbank, von SPÖ und ÖVP in Kärnten nicht hinschauen wollte, wird auch kein Mitarbeiter seine Laufbahn mit lästigen Hinweisen riskiert haben. Und wenn doch, wäre er ein wertvoller Zeuge. Bitte melden!

Wenn die völlig überdimensionierte Aufblähung einer Regionalbank oder die Instrumentalisierung eines Privatunternehmens für politische Zwecke so gewollt wird wie Hypo und Eumig, fühlt sich jeder Mitarbeiter als „Spielverderber“ gefährdet.
Das ist im beamteten oder halbstaatlichen Bereich (Stichwort Tunnelbauten der ÖBB) nicht anders. Deshalb ist es ein systemischer Fehler und kostet immer und immer wieder Millionen (1981) und Milliarden (2014). Politiker aber verlassen sich darauf, dass es beteiligten Dienstnehmern aus Eigennutz die Sprache verschlägt, und dass sich der einzelne Bürger von Milliardenbeträgen nicht betroffen fühlt. U-Ausschüsse können diese Fehleinschätzung korrigieren.
Ein verpflichtender Besuch im geplanten Eumig-Museum im Alten Feuerwehrhaus in Wiener Neudorf wäre auch nicht schlecht – unter Führung von Elmar Podgorschek.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse.com/blog/rohrer

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