„Bei mir“ ist immer alles anders Posten, Proporz, Parteipolitik

Was ist nur mit der Beamtenschaft los? Im Moment steht sie ziemlich unfähig da. Sie muss sich selbst gegen die Qualitätskiller in der Politik wehren.

Es ist ein Phänomen, das in der österreichischen Politik bis jetzt so wenig verscheucht wie der parteipolitische Besetzungsproporz abgeschafft werden konnte: Jemand kommt auf einem parteipolitischen Ticket in eine Position, verliert diese aus irgendeinem Grund und alteriert sich dann aus gegebenem Anlass über Proporz und Parteipolitik bei Karrieresprüngen anderer.

Vielleicht ist es zutiefst menschlich, scheinheilig ist es dennoch: Eigene Berufungen sind natürlich der Objektivität geschuldet, andere der Parteipolitik. So nach dem Motto: „Bei mir war das natürlich anders.“ Warum ersticken diese Personen nicht an ihren eigenen Aussagen?, ist man versucht zu fragen. Zuletzt war das diese Woche im Ö1-„Morgenjournal“ beim Lamento des früheren Chefs des jetzt so umstrittenen Bundesinstituts für Bildungsforschung (BIFIE), Günter Haider, über den „allgegenwärtigen Besetzungsproporz im Unterrichtsministerium“ der Fall. Haider sieht seine eigene Berufung seinerzeit sicher als Resultat einer objektiven Entscheidung ohne „roten“ Hintergrund. Denn bei ihm war das „anders“. Oder was?

Es könnten viele andere Beispiele der letzten Jahrzehnte aufgezählt werden. Wirklich tragisch an der österreichischen Praxis aber sind drei Punkte.

Erstens: In Österreich reichte nicht einmal ein Selbstmord, um sie grundlegend und dauerhaft zu reformieren. 1997 erschütterte der Freitod des Vorstandes der Kontrollbank und ehemaligen Sekretärs von Bundeskanzler Franz Vranitzky, Gerhard Praschak, die Republik. Dieser hatte eine Anklage gegen die parteipolitische Einmischung in das Bankenwesen hinterlassen. Was war passiert: Rudolf Scholten, auch ein Ex-Sekretär Vranitzkys, musste nach dem Rücktritt seines Mentors die rot-schwarze Koalition als Minister verlassen und sollte mit einem Vorstandsposten in der Kontrollbank versorgt werden. Praschak hätte Platz machen müssen. Auch er war über das SPÖ-Ticket in die Bank gekommen.

Selbstmord wie Erschütterung waren bald vergessen. Danach unternahm niemand mehr in SPÖ oder ÖVP auch nur den geringsten Versuch, die gängige Praxis infrage zu stellen. Auch der FPÖ unter Jörg Haider war sie nur so lange Kritik wert, bis sie ab 2000 mit der Regierungsbeteiligung selbst davon profitieren konnte – und zwar schamlos. Praschak hatte mit seinem Schritt gar nichts bewirkt. Man ging einfach zur Tagesordnung über, die bis heute unverändert ist.

Zweitens: Gabriele Heinisch-Hosek gab am Donnerstag eine Bankrotterklärung als Unterrichtsministerin ab, indem sie zur Bestellung neuer BIFIE-Direktoren sagte: Die Postenbesetzung sei Sache der rot-schwarzen Koalition, „das kann und werde ich nicht allein entscheiden“. Das Institut untersteht ihr, also kapitulierte sie vor der Praxis der parteipolitischen Besetzungen.

Auch die nun entlassenen BIFIE-Sündenböcke Martin Netzer und Christian Wiesner waren solche. Warum eigentlich wird Ex-Unterrichtsministerin Claudia Schmied nicht zu den beiden befragt, die sie im Februar 2013 als „ausgewiesene Experten“ bestellt hat? Schmied sollte sich nicht aus der Verantwortung stehlen dürfen.

Drittens und am wichtigsten aber: Es muss jetzt wieder die Frage nach der Qualität der im Bundesdienst Arbeitenden, ob als Beamte oder Vertragsbedienstete, ob mit oder ohne Sonderverträgen, gestellt werden. Denn wie das Chaos im BIFIE zeigt, geht es um fachliche Kompetenz. Und um das, was Politiker – siehe Schmied – gegebenenfalls dafür halten.

Man greift sich ja nicht nur beim Unterrichtsministerium an den Kopf. Was ist nur mit der Beamtenschaft los? Wenn ein hoch qualifizierter Sektionschef aus dem Finanzministerium in den Rechnungshof „flüchtet“, macht er den Weg frei für irgendwelche Ministermitarbeiter. Also muss über parteipolitische Besetzung als Qualitätskiller diskutiert werden. Und zwar ernsthafter als nach Praschaks Tod. Die Verwaltung hält viel aus, handwerkliche Unfähigkeit auf Dauer sicher nicht.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2014)

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