Gefährliche Sommertage und die Impotenz der Friedensstifter

So viele Konflikte gleichzeitig: Es werden gerade die Hoffnungen der Nachkriegsgeneration auf die Kraft internationaler Organisationen zu Grabe getragen.

In diesen wirren und gefährlichen Sommertagen des Jahres 2014 ist viel die Rede von den „Gesprächskanälen“, die von Regierungen offengehalten werden müssten.  Wozu eigentlich? Dafür gibt es seit Jahrzehnten internationale Institutionen, die eigens dafür geschaffen wurden. In Wahrheit sind wir jetzt Zeugen des Multiorganversagens dieser Organisationen. Die Gleichzeitigkeit der Konflikte – Syrien, Irak, Israel, Ukraine, Afrika – und die hilflosen Reaktionen der internationalen Gemeinschaft lassen keinen anderen Schluss zu.
Seltsam nur, dass es darüber keine Debatte gibt. Denn das wirklich Beunruhigende ist nicht das Gerede von einem neuen Kalten Krieg, sondern die Untauglichkeit aller Institutionen, die seit Jahrzehnten als Vermittler Menschen vor Krieg und Elend schützen sollen.
Muss nicht die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, wie ihre Vorgängerin, die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE), in den Augusttagen vor fast 40 Jahren abgeschlossen, dafür sorgen, dass die Stabilität in Europa nie wieder gefährdet ist? Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland wäre ein klassisches Fallbeispiel für eine Staatenkonferenz wie die OSZE, in offenen Gesprächskanälen den Frieden in Europa zu sichern.
Stattdessen werden Mitglieder dieser Organisation entführt, behindert, bedroht und müssen in einer umkämpften Stadt wie Donezk das Weite suchen. So wird die OSZE quasi von Separatisten vorgeführt. Wer sollte ihr da  noch vertrauen?
Gerade jetzt werden alle Hoffnungen der Nachkriegsgeneration auf die Kraft der friedenserhaltenden Organisationen zerstört. So war das nicht gedacht, möchte man als Mitglied dieser enttäuschten Generation einwerfen.
Die UNO sollte die Fehler und das Scheitern des Völkerbundes, der ja auch in allen künftigen Konflikten hätte vermitteln sollen, vermeiden. Heute appelliert Generalsekretär Ban Ki-Moon, ruft auf, stellt bei jeder neuen Krise Forderungen – und alle stellen sich taub. Wie die Vertreter der OSZE in der Ostukraine werden die UN-Beauftragten in Syrien vorgeführt. Zwei haben die Sinnlosigkeit ihres Auftrages nach kurzer Zeit eingesehen und sind zurückgetreten.
Der neue Sondergesandte, der italienische Vizeaußenminister Staffan de Mistura, wird später wahrscheinlich die gleichen Worte finden wie sein Vorgänger, der Algerier Lakhdar Brahimi. Dieser hat sich bei den Opfern des Bürgerkriegs entschuldigt, wie „Die Zeit“ berichtete: „Ich bitte Sie um Verzeihung, dass wir Ihnen nicht so geholfen haben, wie es notwendig gewesen wäre und Sie es verdient hätten.“ Warum nicht, sagt keiner. Von einer Entschuldigung haben aber diese Opfer rein gar nichts.
Würden einzelne UNO-Hilfsorganisationen nicht vor Ort, wo immer möglich, Großartiges leisten, man müsste geradezu verzweifeln. Jedes andere Unternehmen, das mit so viel Aufwand, auch finanziellem, und so viel Bürokratie am Leben erhalten wird und so wenig bewirkt, würde aus der öffentlichen Diskussion nicht mehr herauskommen. Über die Verhältnismäßigkeit von Mitteln und Wirkung bei der UNO wird nicht geredet.

Auch über die „Nutzlosigkeit“ (© ein Vertreter der Palästinenser 2011!) des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair als Beauftragter des Nahost-Quartetts seit 2007 gibt es keine Diskussion. Erst dieser Tage hat er sich wieder einmal in der Region gezeigt und zu Krieg und Sterben in Israel und Gaza Folgendes von sich gegeben: „Es gibt das Gefühl einer Möglichkeit.“
Der einst so hochgejubelte Blair wirkt so verwirrt wie alle, wird aber hoch bezahlt für totale Erfolglosigkeit. Diese Verwirrung wird brutal ausgenützt, in Syrien von der Regierung, im Irak von Terrorgruppen, in Nahost von den Gegnern Israels, in der Ukraine von den Separatisten mit russischer Hilfe und so weiter. Deutlicher kann das Versagen der internationalen Institutionen nicht mehr werden. Aber wo sind die Chirurgen (Vermittler), die das Bluten und Ausbluten stoppen?

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