Schaffen Sie „staatlich legitimierte Abzocke“ ab, Herr Präsident!

Als neuer Präsident des Hauptverbands könnte Peter McDonald seinen Worten von früher Taten folgen lassen. Die Vorzeichen sind jedoch nicht vielversprechend.

Vor einigen Monaten erschien Peter McDonald geradezu als Lichtgestalt im Dickicht der Sozialbürokratie: grundvernünftig, Schwachstellen und Unsinnigkeiten scharf analysierend. So trat er am 10. April auch bei einer Pressekonferenz auf und verlangte die Abschaffung der Mehrfachversicherungen für Pensionisten bei Krankenkasse und Pensionsbeiträgen – also das, was sein Boss, Christoph Leitl, Präsident der Bundeswirtschaftskammer, „staatlich legitimierte Abzocke“ genannt hatte.
Als geschäftsführender Obmann der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA) sah McDonald die Sinnwidrigkeit doppelter Krankenversicherungen und Pensionsbeiträge ohne Gegenwert. Als Nachfolger von Finanzminister Hans Jörg Schelling im Amt des Präsidenten des Hauptverbands der Sozialversicherung entdeckte er in einem „Presse“-Interview die Sozialversicherung plötzlich als Möglichkeit der Geldanlage für die Bürger: In der Sozialversicherung stecke „ja auch das Vermögen der Österreicher“. Und weiter: „Andernorts wird das Geld in Vorsorgesparen gesteckt – für das Alter, den Krankheits- oder Notfall. Bei uns liegt weniger unter dem Kopfpolster.“
Demnach müssen die Österreicher geradezu dankbar sein, dass die Sozialbürokratie ihnen die Mühsal des Sparens abnimmt und Geld abknöpft. Wenn das keine Wohltat ist! Aber irgendwie ginge das mit dem Sparen auch gar nicht. Pensionisten mit dem Fimmel, länger arbeiten zu wollen, was ja angeblich so wünschenswert ist, können zwar nur ein Mal krank werden, aber zwei Mal Kassenbeiträge zahlen; sie können aufgrund des fortgeschrittenen Alters auch nur ein Mal in Pension sein, aber Beiträge doppelt zahlen. So ist es eben, wenn man sein Vermögen in der Sozialversicherung bunkern darf.
Als Präsident des Hauptverbands hätte McDonald nun die Gelegenheit, seinen Worten vom April Taten folgen zu lassen. Alle bisherigen Vorstöße versickerten nämlich auf dem normalen österreichischen Weg, auch als bürokratischer Teufelskreis bekannt: Wer die Wirtschaftskammer dazu bewegen wollte, das SVA-Gesetz zu reformieren, wurde dort an den Hauptverband verwiesen. Unter Schelling erklärte sich dieser für nicht zuständig und schickte Reformwillige in die Klubs des Parlaments. Gesetzesänderungen seien Sache des Nationalrats. Stimmt irgendwie, nur sieht man das im Hohen Haus am Ring offenbar nicht so eng. Zurück zur Wirtschaftskammer, diese müsse die Initiative zu einem neuen Gesetz ergreifen. Irgendwie putzig, denn dort weiß man auch nicht alles. Auf die Frage nach dem Sinn der Mehrfachversicherungen bekannte ein Mitarbeiter freimütig ein: „Ich kann Ihnen auch nicht sagen, was sich der Gesetzgeber dabei gedacht hat.“
Vor einigen Monaten noch hat McDonald den Eindruck erweckt, es ginge ihm tatsächlich um die Versicherten und nicht um das System. Heute ist es ihm offenbar wichtiger, diese Versicherten schlafen ruhig auf einem Kopfkissen, unter dem nichts liegt.

So schnell kann's gehen. McDonald will nicht mehr über Strukturen und Systeme reden, auch wenn dort das Geld der Versicherten verschwindet. Über die Sinnhaftigkeit von 22 Sozialversicherungsträgern als Chef des Hauptverbands schon gar nicht. Jüngst darauf angesprochen, ob er jetzt endlich eine Reduzierung der neun Gebietskrankenkassen angehen werde, soll der Oberösterreicher McDonald ausweichend gemeint haben, Landeshauptmann Josef Pühringer wolle das nicht.
Das kann man gut verstehen. Mit 41 Jahren muss der Direktor des ÖVP-Wirtschaftsbunds an seinen Karriereverlauf denken. Aber die Abschaffung der „staatlich legitimierten Abzocke“ sollte karrieretechnisch doch möglich sein. Immerhin hatte McDonald im April ÖVP-Seniorenbund-Chef Andreas Khol an seiner Seite. Sollten sich die beiden in der Zwischenzeit aber darauf verständigt haben, dass die „Wahrheit eine Tochter der Zeit“ ist, war's das wohl mit der Lichtgestalt.

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