Ein Königreich für ein Lächeln in Zeiten der schlechten Laune

Die Lokale sind voll, die Weihnachtsmärkte überlaufen, der Handel jammerte bisher nicht. So viele Gründe für den Missmut in vielen Gesichtern gibt es gar nicht.

Die Restaurants sind überfüllt. Klagen über einen Totaleinbruch des Weihnachtsgeschäfts hat es vom Handel bisher nicht gegeben. Das Jammern über die tausenden ungarischen, slowakischen, tschechischen Nachbarn, die in den vergangenen Wochenenden die Bundeshauptstadt mit ihren Bussen und Weihnachtsmarktströmen fast lahmgelegt haben, scheint auch verstummt. Aus dem Kalten Krieg dieses Herbstes ist kein heißer geworden. Über Kobane wird auch nichts mehr geschrieben.

Warum schaut man zumindest in Wien dann in so viele verhärmte Gesichter? Warum scheint die Stimmung so aufgeladen mit Aggression – und sei es nur passiver? Warum nur scheinen so viele Menschen nur darauf zu warten, ihre Wut an irgendjemandem auslassen zu können? Warum dieser Mangel an Fröhlichkeit, um nicht zu sagen dieses Übermaß an Missmut? Ein Königreich für ein Lächeln in der Republik der absichtlich herabgezogenen Mundwinkel!

Bei all den internationalen Dramen gibt es doch auch Ereignisse, auf die man mit Freude reagieren kann – soll sein mit Schadenfreude, was den Vorteil hätte, nicht einmal auf das Quäntchen Aggression (siehe oben) verzichten zu müssen.

Der Überraschungscoup der vergangenen Tage, die Entspannung zwischen den USA und Kuba, ist so ein Ereignis. Freude darüber, dass internationale Konflikte doch auch gelöst werden können, wenn es zu einer bestimmten Konstellation an involvierten Persönlichkeiten kommt: in diesem Fall US-Präsident Barack Obama, Raúl Castro und Papst Franziskus. Das war in Nordirland so und beim Fall des Eisernen Vorhangs 1989. Warum soll das nicht auch in anderen Fällen möglich sein, wenn die personelle Zusammensetzung stimmt?

Als Tribut an die schlechte Laune kann man sich ja der Schadenfreude hingeben. Die meisten Journalisten haben Obama nach den Kongresswahlen im November als „Dead Man Walking“ bezeichnet, als „lahme Ente“ gesehen, die in den restlichen zwei Jahren im Weißen Haus keinen Millimeter vom Boden kommen werde. Mit der Einwanderungsreform, dem Budgetbeschluss, der mutigen Veröffentlichung des Folterberichts, den hervorragenden Wirtschaftsdaten und jetzt mit dem Kuba-Coup haben sich alle trübsinnigen Vorhersagen als falsch herausgestellt. Da könnte der Irrtum der prognosensüchtigen Medienbranche doch wenigstens einen Moment lang belächelt werden.

Weil uns aber das österreichische Hemd (immer) näher als der internationale Rock ist: Allein der Gedanke, was wir uns in Österreich alles leisten können, bevor wir etwas leisten müssen, sollte ein Lächeln auf das Gesicht der meisten Wähler zaubern. Es ist doch ein Grund zur Freude, dass wir uns nicht fragen, ob wir uns trotz oder wegen der Krise dem Glühwein-Wahnsinn hingeben oder vielleicht doch auf der Titanic tanzen.

Es ist doch ein Grund für Frohmut, dass wir uns die europaweit teuersten politischen Parteien leisten können, die nicht eine Sekunde daran denken, bei sich selbst zu sparen – ohne dass wir erbost vor ihren Parteizentralen demonstrieren.

Es ist doch ein Grund für Frohsinn, eine Regierung zu haben, die ihre Pläne zu einer Steuerreform zuerst mit Steuererhöhungen untermauert und nicht mit konkreten Angaben zu Einsparungen, dass wir nicht über „klassische“ Vermögensteuern nachdenken müssen, sondern an kreative Vermögensteuern denken können.

Es muss uns doch wirklich gut gehen, wenn wir wichtige Wirtschaftsinstitutionen wie die Staatsholding ÖIAG, einen Konzern wie die OMV oder das Institut für Höhere Studien (IHS) monatelang führungsschwach oder führungslos dahindümpeln lassen können. Vom Hypo-Desaster gar nicht zu reden.

Für so viel Niedergeschlagenheit, wie sie in manchen Gesichtern auf der Straße abzulesen ist, gibt es doch keinen Grund. Oder doch? Nur am Weihnachtsstress allein jedenfalls kann sie nicht liegen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2014)

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