Seltsamer Eiertanz um Asyl-Thema. Ein Flüchtling ist ein Flüchtling ist...

Nach vier Monaten noch immer nicht genügend Unterkünfte für Asylanten. Im kleinen Libanon leben 1,5 Millionen Flüchtlinge, wir suchen 1400 Plätze.

Die „dramatischste Flüchtlingstragödie der letzten Jahrzehnte“, so das Österreichische Rote Kreuz, spielt sich vor unser aller Augen ab. Im Libanon, einem Land mit 5,8 Millionen Einwohnern und 1,5 Millionen Flüchtlingen, erfrieren Menschen in notdürftigen Zeltlagern. In der Türkei frieren zur Zeit ebenso viele, die ihr Leben dorthin retten konnten. Österreich aber kann angeblich zwischen 28.600 und 32.800 Asylanträge nicht bewältigen. Nur um hier die Relation festzuhalten. Und es kann 1400 Unterkünfte nicht finden. Heute, Samstag, läuft die Frist für die sechs säumigen Bundesländer ab.

Vier Monate hatten diese Zeit, ihrer Aufnahmeverpflichtung nachzukommen. Ging sich nicht ganz aus! Geniert sich eigentlich in Klagenfurt, Linz, Salzburg, Eisenstadt, Innsbruck und Bregenz niemand angesichts von Kriegen, die es in diesem Ausmaß vor einigen Jahren noch nicht gegeben hat? Schämt sich im Lichte all der dramatischen Entwicklungen niemand, so verächtlich von Asyl-Tourismus zu sprechen wie von Wirtschaftsflüchtlingen?

Wir werfen immer gerne alles in einen Topf, das macht die Sache einfacher. Etwa, dass jeder Flüchtling ein Asylwerber ist, aber nicht jeder Asylwerber ein Flüchtling. Wer sind dann die Asyl-Touristen? Wenn man nicht differenziert, erspart man sich jegliche Empathie, auch für Kriegsflüchtlinge.

Das dürfte auch der Grund sein, warum es die Bundesländer mit den Aufnahmequoten nicht so genau nehmen. In dem ganzen Krampf um die Unterbringung von Asylwerbern offenbaren sich aber einige österreichische Eigenheiten, von denen man nicht weiß, ob man sie belächeln oder beweinen soll.

1. „Die Entwicklung ist dramatisch“, befand vor zwei Tagen Erwin Pröll, der Prototyp eines Vorsitzenden der Landeshauptmann-Konferenz, im Gespräch mit der „Presse“. Ein Krisengipfel der Länder müsse her. Er beruft ihn ein. Wann? Na, in zwei Wochen erst natürlich. Zwischen dem Dramatischen jetzt und dem Asyl-Gipfel liegen ja die zwei Wochen Semesterferien. Drama ja, aber Ferien zuerst. Unsere Vorstellung von „dramatisch“.

2. Für das ominöse Sicherheitspaket nach den aufwühlenden Attentaten von Paris waren ganz plötzlich 290 Millionen Euro aus dem Budget vorhanden. Einfach so! Niemand wollte erklären, woher das Geld kommt. Das wird man sich um des Populismus willen doch noch leisten können! Wie viel Millionen wären notwendig, um das unwürdige Feilschen um ein paar hundert Flüchtlingsunterkünften da und dort zu beenden? Ein Bruchteil der plötzlich aufgetauchten 290 Millionen. Aber für Asylanten lässt sich Geld eben nicht so mühelos auftreiben. Unsere Vorstellung von Hilfe!

3. und besonders pikant: Das in der Eigen- und Fremdwahrnehmung „heilige Land“ Tirol ist absolutes Schlusslicht bei den Bemühungen, für Asylanten geeignete Unterkünfte zu finden. Gelebtes Christentum, nicht wahr? Christliche Solidarität à la ÖVP, oder? Kirchgang ja, „Nachbar in Not“ nicht so sehr. Anders ist es nicht zu erklären, warum Tirol nur 82 Prozent der vereinbarten Quote erfüllt.

So lange aber das kleinliche Herumgetue niemandem die Schamesröte ins Gesicht treibt, sind nicht eingehaltene Fristen und Stichtage relativ unerheblich. Auch der Ruf des Wiener Bürgermeisters, Michael Häupl, nach Sanktionen für säumige Landeshauptleute.

Zwar hat Häupl aufgrund der Sonderanstrengungen Wiens vom Herbst 2014 so etwas wie ein moralisches Recht, die anderen zur Ordnung zu rufen, aber bewirken wird er nichts. Wie sollen die Sanktionen denn aussehen? Etwa Reiseverbot für Landeshauptleute, die sich nicht genug um Quartiere gekümmert haben, nach Wien? Häupl müsste schon sehr viel konkreter werden, welche Sanktionen das sein sollten.

Es würde schon helfen, den seltsamen Eiertanz der Politiker um das Asylthema zu beenden. Ein Flüchtling ist ein Flüchtling ist ein Flüchtling. Das verstehen die meisten Österreicher gewiss.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

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