Was ist los im Hause Österreich? Die Beobachtung des Bizarren

Eine beunruhigende Zusammenschau der Ereignisse einer Woche offenbart einen Mangel an Gespür, an Verantwortungsbewusstsein und an Seriosität.

Warnung! Diese kurze Wochenschau des Österreich-Geschehens kann Ihr seelisches Gleichgewicht gefährden: Wir haben einen Ex-Vizekanzler, Ex-Außenminister, Ex-Finanzminister, der sich von einem ukrainischen Oligarchen anwerben lässt, der wiederum gegen eine Kaution von über 100 Millionen Euro auf freiem Fuß ist, weil die USA seine Auslieferung begehren. Wir haben also Michael Spindelegger, dem offenbar nichts mehr eigenartig vorkommt und das internationale Image des Landes gleichgültig geworden ist.

Wir haben einen veritablen Flop bei der Neuen Mittelschule, in die wir jährlich 200 Millionen Steuergelder buttern – mit Nulleffekt. Und mit Claudia Schmied eine Ex-Unterrichtsministerin, die dafür nicht mehr die Verantwortung übernehmen muss, obwohl die NMS ihr Prestigeprojekt war, und die sich weder dafür noch für das Burgtheater-Desaster unter ihrer Aufsicht bei der Öffentlichkeit entschuldigt, sondern weiter beharrlich schweigt.

Da erwähnen wir nicht einmal das Chaos und die Pannen in dem von Schmied gegründeten Bildungsinstitut BIFIE, auch nicht dessen rot-schwarze Führung damals. Wer zurücktritt, ist danach fein heraus. Das wurde uns diese Woche mit der vernichtenden NMS-Evaluierung wieder eindringlich vor Augen geführt. Nicht nur!

Wir haben nämlich jetzt auch die Heta, Hypo, Alpe oder was immer am Hals, und drei Ex-Finanzminister der ÖVP, die dafür verantwortlich sind, aber ebenfalls vorgeben, nichts damit zu tun gehabt zu haben. Nun gut, Spindelegger ist jetzt damit beschäftigt, die Ukraine im Kriegszustand mithilfe eines Oligarchen im Exil wirtschaftlich zu entfesseln. Unsere Nachred' im Ausland möchten wir weder auf den Finanzmärkten noch auf dem diplomatischen Parkett haben!

Das ist aber noch nicht alles. Wir haben einen Bundeskanzler, der auf einmalige Art Kompetenz und Führung in einer so existenziell wichtigen Frage wie dem Hypo-Schaden für die Republik bereitwillig an Hans Jörg Schelling abgibt. Werner Faymann diese Woche nach dem Ministerrat: „Ich möchte noch einmal darauf verweisen, dass die Entscheidungen, die der Finanzminister getroffen und dargestellt hat, auch öffentlich dargestellt hat, aus meiner Sicht unverzichtbar waren ...“ Sinngemäß heißt das wohl: „Ja, wenn der Finanzminister das sagt ...“ Mit den Entscheidungen hat der Regierungschef also nichts zu tun.

Wir haben aber in dieser Situation auch einen Finanzminister, der nach seiner wiederholten Aussage „Kein neues Steuergeld für die Heta“ und dem Widerstand der Bundesländer gegen diese Ansage, nicht alternativlos sein wird: Entweder Schelling bricht sein Wort, oder er reicht den Rücktritt ein. Dass die Hypo ohne neues Steuergeld vom Bund abgewickelt werden kann, welches Mascherl auch immer man ihm gibt, glauben Experten nicht. Aber vielleicht gewinnt Schelling den Kampf ums Steuergeld mit den Ländern. Dann würde er freihändig die österreichische Realverfassung ändern. Wenn er das denn könnte, hätte er nicht vor Kurzem den Finanzausgleich mit den Ländern ohne Bedingungen auf Jahre verlängern dürfen.

Mehr noch: Wir haben diese Woche auch am Dienstag nach dem Schulgipfel erlebt, dass laut Niederösterreichs Erwin Pröll „niemand daran denkt“, woran er noch am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ selbst gedacht hat, weil es so viel „Sinn macht“: alle Lehrkräfte zu den Bundesländern.

Wir haben es aber auch lustig – und einen Vizekanzler von der ÖVP, der fast jeden öffentlichen Auftritt mit zusammengezogenen Augenbrauen und stechendem Blick absolviert – ganz so, als ob er in Django-Manier bedeuten möchte: „Ein Wort noch, und ich mach euch fertig.“ Reinhold Mitterlehners passive Aggressivität wird zu seinem Markenzeichen werden: Je heikler das Thema, desto aggressiver der Blick.

Empfehlung: Durchatmen bis zur Steuerreform, dann wieder wundern.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2015)

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